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Imagepflege vor 25 Jahren raubt Carl Hahn die Ehrenbürgerwürde
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Mit seinem Tod hat der frühere VW-Chef Carl Hahn die Zwickauer Ehrenbürgerschaft verloren. Denn in Zwickau kann nur Ehrenbürger sein, wer noch lebt. Mit der Regelung hat sich die Stadt vor einem Vierteljahrhundert der offenen Diskussion um Nazis in der Ehrenbürgerliste entzogen.
Die Liste der Zwickauer Ehrenbürger wird kürzer. Allein seit 2018 um drei Persönlichkeiten, darunter Superintendent Günter Mieth und der ehemalige VW- und Porschechef Ferdinand Piech. Sie teilen das Schicksal mit dem im Januar verstorbenen Carl Hahn. Auch wenn er noch so viel für Zwickau getan hat: Er darf kein Ehrenbürger mehr sein, denn nach der Satzung über Ehrungen und Auszeichnungen erlischt die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod. Das ist nicht nur in Zwickau so geregelt, sondern in vielen Städten bundesweit.
Derzeit dürfen sich Jürgen Croy, Rainer Eichhorn, Erwin Killat und Bernd-Lutz Lange, der 2019 als letzter die Auszeichnung erhielt, Ehrenbürger nennen. Dabei hat die Stadt seit 1832 insgesamt 52 Persönlichkeiten ihre höchste Auszeichnung zuteilwerden lassen. "Die Regelung, dass die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod endet, war bereits in der Satzung vom 8. Mai 1996 enthalten", teilt Rathaussprecher Mathias Merz mit.
Auf jeden Fall hat die Stadt Zwickau mit dem Paragrafen mehr als nur ein Imageproblem gelöst. Nazigrößen wie Adolf Hitler oder Gauleiter Martin Mutschmann, die in Zwickau wie in den meisten anderen Städten Sachsens bereits 1933 zu Ehrenbürgern gemacht worden waren, konnten so ohne großen Wirbel aus den Listen entfernt werden.
In der Öffentlichkeit fand die Satzung kein nennenswertes Interesse. Ehrenbürger Hitler und Konsorten verschwanden klammheimlich. Ob gewollt oder nicht, wurde damit noch etwas erreicht: Auch Kommunisten wie Oberbürgermeister Gustav Seifried oder der Bergarbeiter Franz Franik, der angeblich Rekordleistungen im Schacht vollbracht haben soll, wurden ihre Ehrenbürgerschaft los.
Zu DDR-Zeiten war die Ehrenbürgerschaft für Nazis totgeschwiegen worden. Es gab offiziell keine braune Vergangenheit. Juristisch gab es im real existierenden Sozialismus das gleiche Problem wie in der Bundesrepublik. Die Ehrenbürgerwürde konnte nur an lebende Personen verliehen und auch nur lebenden Personen wieder aberkannt werden. Eine posthume Aberkennung war nicht möglich. Also blieben Nazis in Ost und West ungewollt Ehrenbürger. Erst als jemand den juristischen Dreh fand, änderte sich das.
Zuletzt war das Thema im Jahr 2006 hochgekocht, als ein Wikipedia-Eintrag sowohl Adolf Hitler als auch Martin Mutschmann und Reichshauptamtsleiter Fritz Tittmann als aktuelle Zwickauer Ehrenbürger auswies. Nach Protesten wurde der Eintrag geändert, aber die Namen wurden nicht entfernt. Sie werden jetzt als ehemalige Ehrenbürger geführt.
Dass in der Vergangenheit jemand die Zwickauer Ehrenbürgerwürde ablehnte, ist nicht überliefert. Vergünstigungen sind damit aber auch nicht verbunden.
Ehemalige Ehrenbürger der Stadt Zwickau
Friedrich Johann von Liebenau (1764-1832). Der Oberst und Armeekommandant, der wahrscheinlich in Zwickau starb, erhielt die Auszeichnung 1832 erst nach seinem Tod. Es war die erste und einzige posthume Verleihung. Heute ist eine Verleihung nach dem Tod ausgeschlossen, da sie damit ja erlöschen würde.
Otto von Bismarck (1815-1898). Der Reichskanzler hatte 1895 als 15. Persönlichkeit die Ehrenbürgerwürde verliehen bekommen. Damit sollten seine Reformbemühungen und die Schaffen einer Art Rentenkasse gewürdigt werden.
Heinrich Braun (1862-1934). Der Arzt und Gründer des Zwickauer Krankenstiftes wurde 1926 mit dem Ehrentitel ausgezeichnet. Der 22. Ehrenbürger war ein Chirurg und Anästhesiepionier. Unter ihm wurde der heutige Standort des nach ihm benannten Klinikums gegründet.
Rolf Fränkel (1908-2001). Der Kieferorthopäde wurde 1998 zum 44. Zwickauer Ehrenbürger. Er wurde europaweit bekannt, als er die Behandlung mit skelettierten Mundvorhofplatten einführte.
August Horch (1868-1951). Der Ingenieur, Automobilbauer und Gründer der Horch- und Audi-Werke in Zwickau wurde 1939 zum 27. Ehrenbürger ernannt. Er hatte Zwickau in Sachen Automobilbau bekannt gemacht.
Max Pechstein (1881-1955). Der Maler und Grafiker war zeitweise Mitglied der Künstlervereinigung "Brücke" und ein Vertreter des deutschen Expressionismus. Die Ehrenbürgerwürde erhielt er 1947 als 28. Träger.
Hans Storck (1912-2000) Der Dirigent, Kapellmeister und Generalmusikdirektor wirkt von 1954 bis 1974 an den Bühnen der Stadt Zwickau. 1987 wurde er zum 42. Ehrenbürger. (nkd)