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Klima-Aktivistin Luisa Neubauer stellt sich im "Chemnitzer Salon" der Diskussion
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Die Bewegung Fridays for Future hat keine Führung, aber ein Gesicht: Luisa Neubauer. Mit ihren Positionen polarisiert sie und eckt an. Am 17. Oktober wird sie im "Chemnitzer Salon" über das Klima debattieren. Wer ist die Frau, der viele Großes zutrauen und die für andere wiederum eine Reizfigur ist? Ein Porträt.
Wenn es sein muss, wird das Klima bis ans Ende der Welt verteidigt. Als Fridays for Future in Deutschland gegen ein australisches Kohlebergwerk protestierte, das Bahntechnik vom Siemens-Konzern bezog, nötigte das selbst dem Konzernchef Respekt ab. Der aufmüpfigen FFF-Aktivistin Luisa Neubauer bot Joe Kaeser einen Aufsichtsposten bei Siemens an. "Experten und Wissenschaftler haben wir genug", sagte Kaeser laut Medienberichten. Um das Klima zu retten, brauche man Führungspersönlichkeiten wie Neubauer, die Zielkonflikte verstehen und auflösen könnten. Den Posten lehnte Neubauer ab.
Der inzwischen aus seiner Funktion geschiedene Konzernchef ist nicht der Einzige, der Luisa Neubauer Großes zutraut. Natürlich im Bereich Umweltpolitik, in dem sie so viele Leute nervt. Nach Auftritten wie vor einigen Tagen in der TV-Talkshow "Maischberger", bei denen die Beteiligten mit besserwisserischen Schlagworten vor allem aneinander vorbeireden, kreidet die Öffentlichkeit der 27-Jährigen zuverlässig an, dass sie sich zickig und überheblich aufführe.
Man kann das so sehen - einem 50-jährigen Politprofi wie dem CSU-Generalsekretär Markus Blume lässt man das in der gleichen Runde klaglos durchgehen. Im Faktencheck der Sendung wurde Neubauer der Falschaussage überführt, weil sie gesagt hatte, Deutschland exportiere Strom, dabei ist das Land derzeit Nettoimporteur. Der Grund dafür ist allerdings kein Versorgungsnotstand nach der Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke, wie von Neubauers Gegenspielern unterstellt. Importstrom ist gerade billiger, die Versorgungskapazitäten in Deutschland reichen aus. Neubauer lag also nicht richtig, aber auch nicht ganz falsch.
Wahrheiten, die keiner hören will
Es ist eine komplizierte Debatte: Wahrheiten, die keiner hören will. Die Klimakrise eine Krise unter vielen. Der moralische Unterton, die Konsequenzen im Alltag. Man müsse Erklärungen in öffentlichen Statements oft verkürzen, sagte Neubauer im März im "Freie Presse"-Podcast "Etwas Kultur muss sein". Eine Talkshow sei eben Show. So etwas bedrücke sie nicht. Ausführlichere Argumente fänden sich in ihren Reden und Büchern. Ein Buch - ihr drittes - hat sie im vorigen Jahr mit ihrer jetzt 90-jährigen Großmutter geschrieben, die seit Jahrzehnten für eine progressive und ökologische Politik eintritt. "Gegen die Ohnmacht" von Luisa Neubauer und Dagmar Reemtsma kletterte in die Bestsellerlisten. Darin stehen Sätze wie: "Solidarität ist keine liebe Geste. Solidarität ist gelebte, gemeinschaftliche Resilienz. Solidarität erkennt an, dass Gesellschaften nur so frei sind, wie ihre Minderheiten frei sind, nur so sicher sind, wie die Sicherheit, die die Marginalisiertesten erfahren."
Die hier von Solidarität spricht, wurde in eine der reichsten Hamburger Familien hineingeboren, den Reemtsma-Clan, Erben eines Tabakimperiums; an der Unternehmensführung ist seit Jahrzehnten kein Familienmitglied mehr beteiligt. Luisa Neubauer wuchs in den piekfeinen Elbvororten auf, ihre Eltern führten ein Altenpflegeheim. Als sie ihr Studium in Göttingen und am University College of London aufgenommen hatte, einer der führenden Universitäten der Welt, wurde sie als Jugendbotschafterin der US-Kampagnenorganisation One bekannt, die von den Rockmusikern Bob Geldof und Bono von U2 mit anderen gegründet worden war, um die Entschuldung von Ländern des globalen Südens voranzutreiben. Neubauer traf Politiker und Experten, publizierte in Zeitschriften und sprach in der Öffentlichkeit über Entwicklungspolitik. Als Aktivistin von Fossil Free Göttingen setzte sie sich auch für ökologische Themen ein und trat 2016 der Grünen Jugend und den Bündnisgrünen bei.
Inspiriert von Greta Thunberg
Aktivisten sind Menschen, die nicht alles passiv hinnehmen, sondern erkennen, dass es in der Politik kein Vakuum gibt - jede Position, die nicht aktiv gehalten und vertreten wird, kommt faktisch nicht vor. Der Einsatz junger Menschen für das Weltklima - nach jahrzehntelangen Analysen und Warnungen aus der Wissenschaft - ist eine Reaktion darauf, dass Politik als ignorant und nicht problembewusst wahrgenommen wurde. Den Anfang mit Fridays for Future machte die Schülerin Greta Thunberg aus Schweden, die auch Luisa Neubauer inspirierte, als sie ihr beim Klimagipfel in Kattowitz 2018 zum ersten Mal begegnete. Im Dezember jenes Jahres wurde die deutsche FFF-Sektion aus der Taufe gehoben. Ein knappes Jahr später kam es zum globalen Klimastreik, der 2019 Millionen auf die Straßen brachte - bisheriger Höhepunkt von FFF. Dann kam Corona, und der Protest verlagerte sich in die Virtualität.
Bisherige Chemnitzer Salons
- Sahra Wagenknecht: Tut sie's - oder tut sie's nicht?
- Baerbock und Klitschko: Was sie zur Ukraine zu sagen haben
Den Stand der Klimadebatte in der Gegenwart bestimmt die in der Kaeser-Episode aufgezeigte Notwendigkeit, das als richtig Erkannte so zu vertreten, dass eine demokratische Mehrheit dem auch zu folgen vermag. Klimaschutz hat inzwischen einen schweren Stand: Die von 195 Staaten vereinbarten Klimaziele von Paris (2015) werden in Frage gestellt, als habe es die Übereinkunft nie gegeben. Ein physikalischer Kipp-Punkt nach dem anderen wird erreicht und gerissen, während sich ein Teil der Öffentlichkeit mit Debatten über Brandstiftungen und Klimaveränderungen in erdgeschichtlichen Zeiträumen beruhigt, um sich nicht mit dahinschmelzenden Gletschern und sich erwärmenden Weltmeeren auseinandersetzen zu müssen. Nach fünf Jahren FFF sehen manche die Bewegung in der Krise. Die Corona-Pandemie und ein Generationswechsel unter den Schülern haben dämpfend gewirkt. Luisa Neubauer als prominentestes Gesicht der FFF ist auch in den eigenen Reihen nicht unumstritten: Ihre große mediale Präsenz wird bemängelt, ihre Überzeugungen werden nicht von allen geteilt.
Die Aktionen der Letzten Generation sieht sie kritisch
Die Schlagzeilen im Klimaprotest bestimmt derzeit eher die Letzte Generation mit ihren häufig schmerzhaften und polarisierenden Aktionsformen. Neubauer sieht das kritisch, es ist nicht ihr Weg. Sektiererischen Kräften in den FFF, die eine baldige Abschaffung des Kapitalismus erwarten, hält sie die Notwendigkeit eines breiten Bündnisses für Klimaschutz unter Einschluss williger konservativer Kräfte entgegen. Der Rechtsruck in der Gesellschaft besorgt sie sehr. Sollte zehn Jahre nach Paris wieder eine Klima-Ignoranz den Regierungskurs bestimmen?
Mit der aktuellen Berliner Koalition liegen FFF und Neubauer wegen des Klimageldes im Clinch, einem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, dessen Einlösung von den Aktivisten mit Nachdruck gefordert wird. Der soziale Ausgleich für die Belastungen der Energiewende könnte kommende Wahlen entscheiden, seine Ablehnung die Akzeptanz der Klimapolitik gefährden. Und gegen die demokratische Mehrheit ist Klimapolitik auf Dauer nicht zu machen - das haben Luisa Neubauer und die Schüler auf der Straße erkannt.
Luisa Neubauer beim Chemnitzer Salon
"Klima-Krise. Sind wir bereit, die Welt zu retten?" - darüber diskutiert im Chemnitzer Salon "Freie Presse"-Chefredakteur Torsten Kleditzsch mit der Klima-Aktivistin Luisa Neubauer - am 17. Oktober 2023 um 18 Uhr. Der Chemnitzer Salon ist eine Veranstaltung der "Freien Presse" und findet im Carlowitz Congress-Center in der Chemnitzer Innenstadt statt.
Leider sind unsere Platzkapazitäten zur Veranstaltung begrenzt und es liegen bereits mehr Anmeldungen, als Plätze vor. Jedoch können Sie die Veranstaltung am 17. Oktober ganz bequem per Live-Stream ab 18 Uhr unter freiepresse.de/livestream verfolgen.

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