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Heaven Shall Burn und Trivium live in Leipzig: Fifty Shades of Gewitter
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Die zwei seit langem befreundeten Bands, die internationalen Speerspitzen des modernen Metal bilden, sind aktuell auf Deutschland-Tour. Zum Sachsengastspiel in Leipzig gab es eine verschwitzt martialische Party, die etliche Heimatgefühle wachrieft.
20 Jahre ist es nun schon her, dass sich die Musiker von Heaven Shall Burn und Trivium über ihr gemeinsames Label kennenlernten, und zwar in Leipzig: Damals veröffentlichten beide Bands ihrer Debütalben bei der kleinen Firma Lifeforce, die im tiefsten Untergrund den Metalcore-Trend maßgeblich mit anschob. Entsprechend war das Sachsen-Gastspiel der aktuellen Europa-Konzertreise für beide Bands ein besonderes, zumal das breit gefächerte Publikum deutlich machte, wie weit die Resonanz ihrer Musik mittlerweile in die Mitte der Gesellschaft reicht: Hier trifft alt auf jung, Kuttenschlumpf auf Metalcore-Lifestyle. Szene auf Normalität. Beide Bands bilden mittlerweile die internationale Speerspitze ihrer Genres; und beide, obwohl musikalisch nach wie vor im brachialen Extrembereich operierend, sind regelmäßig auf hohen Chartpositionen etlicher Länder zu finden.
Da öffnet es dem Eskalationspotenzial natürlich zusätzliche Türen, wenn etwa Heaven-Shall-Burn-Sänger Marcus Bischoff die Stadt ausdrücklich als seine "zweite Heimat" grüßt, in der er mit einigen Bandkollegen etliche Jahre gelebt hat. Doch von derlei Bekenntnissen abgesehen wird nicht zu viel gequatscht am dicht getakteten Abend, die Zeit wird für reichlich Gewitter verschiedener Metalspielarten verwendet. Zum Doppel der Gastgeber gesellt sich nach den englischen Hardcore-Metallern Malevolence mit Obituray noch eine echte Legende des Florida-Deathmetal, die seit 1984 durch die Welt lärmt. Grobes Geknüppel wird hier umschlossen von fetten Gitarrenwänden, dazu gibt es im besten Sinne unmelodiös böses Geschrei von Sänger John Tardy.
Während Heaven Shall Burn später ihre klassische schwarz-rote Hemdenmode nass schwitzen, wird es zunächst überraschend farbenfroh mit Trivuim: Man ist aktuell im ostasiatischen Drachendesign unterwegs und ballert seinen Fans in diesem Gewande trotzdem reichlich Düsteres entgegen. Heaven Shall Burn mag am Anfang klares Vorbild für die Amis gewesen sein, doch eine Kopie waren diese zu keiner Zeit, sondern bohrten ihre Wurzeln mit Einflüssen aus allerlei Metal-Spielarten von herb bis traditionell-melodisch immer neu auf. Stimmgenie Matt Heafy wechselt eben mühelos von klaren Gesang zum Gekreische wie die Gitarrenwand vom schnellen Thrash-Brett zum fast Emo-angehauchten Metalcore. Hier regierte die Vielfalt der Schattierungen! Gern zeigt der Trivium-Fronter zudem seine charakteristische Gene-Simmons-Gedächtniszunge und ist auch sonst um keine Animationspose verlegen. Heaven-Shall-Burn-Gitarrist Alexander Dietz darf dann bei "In Waves" schon mal für einen gemeinsamen Song in die Party platzen, später wird Heafy sich mit einem Gitarrengastspiel bei "Whatever It May Take" revanchieren.
Andernorts mögen beide Bands ähnlich ankommen, doch was sich auf der Tourstation in Erfurt schon ankündigte, war auch beim Sachsengastspiel Sache: Bei aller Liebe für Trivium ist Heaven Shall Burn klare Hauptsache des Abends. Als der große Bühnenvorhang fällt und es Konfetti regnet, bricht nicht nur von der Bühne ein heftiges Gewitter los. Das "Battle over Leipzig", wie es auf den martialischen limitierten Tourshirts heißt, nimmt schnell Fahrt auf, Circle Pits lassen den Hallenboden beben; und zur großen Wall Of Death ruft Heaven Shall Burn augenzwinkernd das Derby "Lok gegen Chemie" aus.
Besonders die Frontsäue Molle Bischoff, Ali Dietz und Gitarrist Maik Weichert schmeißen sich akzentuiert und orgiastisch in jede Note. Begleitet von der ein oder anderen gut gelaunten Ansage in herrlich breitem Thüringer Dialekt, greifen Songs aus zwanzig Jahren kraftvoll ineinander und erzeugen gestützt durch effektvolles Licht große brachiale Rockmomente und ein nach einer Stunde leider schon wieder beendetes großes Schlachtengemälde. Menschliche Abwege in puncto Klima, kapitalistischer Hybris, Faschismus, Religion und Krieg bekommen hier mal das defätistischen Panorama eines Hieronymus Bosch, mal blutig-sezierenden Blick à la Francis Bacon. Denn bei aller derben Geste vergisst Heaven Shall Burn nie die eine oder andere weltoffene Message, und auch im Publikum gehen Metal-"Pommesgabel" und Antifa-Faust Hand in Hand. Und weil das hier in der überwiegenden Mehrheit so ist, hat Frontmann Bischoff auch keine Probleme, die sonst belasteten Begriffe "Heimat" und "Osten" ehrlich anerkennend in den Mund zu nehmen.