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16-jährige Dhespina wird trotz Mukoviszidose aus Mittweida abgeschoben

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Obwohl sie unter einer unheilbaren Krankheit leidet, wurde eine 16-Jährige abgeschoben. Ihr Anwalt und der sächsische Flüchtlingsrat fürchten nun um ihr Leben, weil ihr im Ausland notwendige Medikamente fehlen.

Mittweida.

29 Kilogramm: So viel wiegt Dhespina, als sie schwerkrank im Juli 2019 mit ihren Eltern aus Albanien einreist. Laut dem Anwalt ihrer Familie, Leo Matthias Waltermann, haben sie das Land verlassen, weil es für die damals Elfjährige dort keine Behandlung mehr gab. „Sie war de facto austherapiert“, sagt er.

Dhespina hat Mukoviszidose, eine Erberkrankung, die dafür sorgt, dass zäher Schleim nach und nach lebenswichtige Organe wie die Lunge schädigt. Weshalb Dhespina auch an erheblichen Begleiterkrankungen leide, zitiert Waltermann ihre behandelnden Ärzte vom Universitätsklinikum Dresden.

Familie bislang in Mittelsachsen geduldet

Albanien gilt als sicheres Herkunftsland, weshalb der Asylantrag der Familie im September 2019 als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wird. Die Familie bleibt aber geduldet - offenbar wegen Dhespinas Erkrankung. Auch die hohen Kosten ihrer Therapie werden übernommen, zuletzt hatte das Sozialamt des Landkreises sie bis einschließlich Oktober bewilligt. Die Behandlung schlägt an: Dhespina wiegt jetzt 45 Kilogramm, ist um 15 Zentimeter gewachsen, und ihre Lungenfunktion, die 2019 nur bei 66 Prozent lag, entspricht jetzt fast der Altersnorm.

Das Mädchen besucht die Oberschule in Mittweida. Nach einer DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache) wechselt Dhespina ab dem Schuljahr 2021/2022 in eine reguläre Klasse.

„Sie hat sich in der Schule kontinuierlich verbessert, sodass sie auf dem letzten Jahreszeugnis in den Kernfächern nur Zweien und Dreien hatte“, sagt Waltermann. „Eine rundum gute Schülerin, die jetzt in die achte Klasse versetzt worden ist - vor ihrer Abschiebung.“

Abschiebung am frühen Morgen des 15. September

Die fand Freitag vor zwei Wochen statt: Um fünf Uhr morgens wird Dhespina mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester in Mittweida abgeholt und zum Flughafen Hannover gebracht. Für ihre Arztbriefe interessiert sich niemand. Eine an dem Tag ausgestellte Reiseunfähigkeitsbescheinigung erreicht die Ausländerbehörde wahrscheinlich zu spät. Auch ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht Chemnitz scheitert. Das Kind werde flugärztlich begleitet, wird Waltermann mitgeteilt.

„Das erlaubt im Umkehrschluss davon auszugehen, dass der Landesdirektion und auch der Ausländerbehörde des Landkreises, die Erkrankung von Dhespina durchaus bekannt war“, sagt er. „Freie Presse“ hat das Landratsamt und die Landesdirektion Sachsen um eine Stellungnahme gebeten. Während letztere bereits am Dienstag antwortete, steht eine Antwort des Landkreises bislang noch aus.

Sächsischer Flüchtlingsrat stellt Abschiebung in Frage

Einen Rest der Medikamente, die sie regelmäßig einnehmen muss, hat Dhespina bei sich, als sie in Albanien landen. Diese werden ihr aber noch am Flughafen abgenommen. Nicht ohne Folgen: „Sie hatte in der letzten Woche schon wieder die ersten Schleimbildungen in der Lunge“, schildert Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat. „Sie fängt wieder an zu husten, kann wieder schwerer laufen und atmen.“

Der Sächsische Flüchtlingsrat stellt nicht nur die Rechtmäßigkeit der Abschiebung in Frage, sondern kritisiert auch „die grobe ethische Missachtung“ der gesundheitlichen Lage der 16-Jährigen. Ihre Ärzte befürchten, dass sich ihr Gesundheitszustand ohne Medikamente rapide verschlechtern werde und ihre Lebenserwartung massiv sinke. Flüchtlingsrat und der Mukoviszidose-Bundesverband appellieren daher an die zuständigen Behörden, Maßnahmen zu ergreifen, um Dhespinas Leben zu retten.

Aufenthalt für gut integriertes Mädchen beantragt - Entscheidung steht aus

Dass sie und ihre Familie wieder einreisen können, dafür setzt sich auch Rechtsanwalt Waltermann ein. „Entweder hat ein Landrat ein Einsehen oder das Gericht hat es“, sagt er.

Helfen könnte dabei eine Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG). Das hatte 2021 die Abschiebung einer georgischen Familie für rechtswidrig erklärt und den Freistaat verpflichtet, sie nach Deutschland zurückzuholen. Eine rechtskräftige Entscheidung stand aus, ob die Kinder der Familie, weil sie gut integriert waren, Anspruch auf einen Aufenthaltstitel haben oder nicht.

Auch für Dhespina wurde eine solche Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 25a des Aufenthaltsgesetzes beantragt. Anfang August, sagt Waltermann, eine Entscheidung stehe auch bei ihr noch aus. (niem)

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