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Saron und das Traumschiff: Wie eine Rochlitzer Spielzeugladen-Inhaberin nach einem Schlaganfall zurück ins Leben findet

Leser helfen: Nach einem Schlaganfall sitzt die Spielzeugladen-Inhaberin Saron Pietzka aus Rochlitz im Rollstuhl. Anstatt zu grübeln, versucht sie sich ins Leben zurück zu arbeiten. Denn sie will nicht aufgeben, beweist Humor, lernt jeden Tag ein Wort hinzu. Und manchmal bleibt ihr ja das Traumschiff.

Wechselburg.

Ihre Haare wachsen wieder, es sind schon zwei Zentimeter. Sie hat auch zugenommen und lacht viel. Ihre Sätze werden länger. Und sie kann gut mit ihrer Situation umgehen. Im Hausflur wartet der Treppenlift, ein Teil der Bedienungsanleitung hängt noch dran. Als Saron am 26. September entlassen wurde und nach Hause kam, war er eingebaut worden. Damit kommt sie die Treppe hinauf in die erste Etage. Das Problem aber, so sagt sie: "Ich wohne gar nicht in der ersten Etage." Saron ist mitten im Genesungsprozess. Sie sitzt in einem für sie hergerichteten Zimmer in dieser ersten Etage. Es ist weihnachtlich geschmückt. Vom Fenster aus sieht man in den vereisten Garten, in dem sie an ihrem letzten Tag vor dem Schlaganfall gearbeitet hat. Am letzten Tag, an dem sie auch ihren Vater gesehen hat.

Sie kann nicht weg aus dem Zimmer. Hat keine andere Wohnmöglichkeit. Doch sie ist eine selbstlose Frau, wird von ihrem Umfeld als genügsam beschrieben und demütig. Viel braucht sie nicht. Nur ein Badezimmer. Und selbst das, wenn sie genau darüber nachdenke, sagt Saron Pietzka: Manche Menschen auf dieser Welt haben noch nicht mal ein warmes Zimmer. Da wäre sie mehr als dankbar, wenn es eines Tages diese Normalität für sie geben würde. Eine Badewanne, eine Toilette. Ihren Humor hat sie nicht eingebüßt. Und lacht, wenn ihre Schwester Elisabeth Krause die Situation erklärt: "Die Krankenkasse hat den Treppenlift mitfinanziert." Mit dieser Finanzierung sei der Einbau für einen Lift in die erste Etage möglich gewesen. Saron Pietzka hat keine Rücklagen. Die letzten beiden Jahre haben ihrem Spielzeugladen zugesetzt, Lockdown, der Internethandel. Die Ware ist im Laden, die Vororder und die Steuern laufen. Und - was kaufmännisch nachvollziehbar, für den Laien etwas umständlich zu erklären ist - das bedeutet, dass sie den Spielzeugladen halten kann. Nachdem alle Rechnungen bezahlt sind, bleibt aber gerade so viel, dass es fürs Leben reicht. "Man ist nicht vorbereitet auf so eine Situation", so Krause, es habe sie kalt erwischt. Als Saron also nach Hause kam, an dem Tag, ist dieser Treppenlift da. Und er fährt in die erste Etage. Saron aber wohnt in der zweiten: ein nun unzugänglicher Bereich. Und auf dieser ersten Etage gibt es kein Badezimmer. Und die Mittel dafür sind nicht da.

Es sei kitschig, sagt Saron, aber manchmal schaut sie mit den Kindern Traumschiff. Sie mögen Florian Silbereisen. Es ist das Einzige, was sie sich ansieht. Von was sie träumt? Sie lebe im Hier und Jetzt, gibt sie zu verstehen. Aber vielleicht, wenn sie einen Wunsch hätte, würde sie gerne wieder in ihrem Garten arbeiten können. Eines Tages vielleicht eine Folge Traumschiff sehen, und sich anschließend allein in einem Badezimmer pflegen.

Elisabeth Krause sagt: "Ich muss organisiert bleiben." Krank werden dürfe sie nicht. Zu Saron kommen Menschen: Physio, Ergo, Logopädie. Auch hat Saron ein festes soziales Umfeld, kennt die meisten ihrer Kunden im Rochlitzer Spielzeugladen persönlich. Doch die täglichen Herausforderungen zuhause stemmt die Familie. Die Kinder versuchen, keine Nachrichten, über eine schlechte Note oder dergleichen, an ihre Mutter heranzulassen. Es war zu viel in diesem Jahr. Als Saron im Krankenhaus lag, mit einer unsicheren Prognose, verstarb der Vater. Sie hat ihn das letzte Mal vor dem Schlaganfall gesehen. Als sie nach Hause kam, waren alle da, der Vater war gegangen.

Aufgeben würde sie nicht, den Spielzeugladen vor allem nicht. Die Schwester formuliert die Sätze, die Saron nicht aussprechen kann: "Es ist nicht, als würde man eine Wohnung abschließen. Der Spielzeugladen bleibt", sagt sie und schaut ihre Schwester durch den Adventskranz hindurch an. "Sonst müsste alles auf Null gefahren werden und dafür ist sie zu jung." Und so helfen alle mit, reinigen, verkaufen und halten Ordnung. Und finden es gut, wenn Saron Sätze sagt wie: "Depressionen machen keinen Sinn." Und wenn es ganz schlimm liefe, bliebe immer das Traumschiff. (rori)


Informationen zu den Spendenprojekten

Für seine diesjährige große Spendenaktion hat der Verein "Leser helfen" neun regionale Hilfsprojekte ausgewählt. Profitieren werden von den Spenden in erster Linie Menschen, die schwerstbehindert sind und deren Alltag beziehungsweise deren Betreuung und Pflege zumindest erleichtert werden soll. Zudem fördert der Verein soziale Projekte, für die es aus staatlichen Töpfen kein Geld gibt, die aber eine Unterstützung verdienen. Allein bei den Spendenaktionen in der Adventszeit 2021 kamen mehr als 510.000 Euro zusammen!

Ausführliche Informationen über die aktuellen Hilfsprojekte finden Sie in der heutigen Ausgabe in den Lokalteilen, ein Spendenflyer liegt bei, und immer im Onlineangebot der "Freien Presse" im Internet. Hier haben Sie als Leser zugleich die Möglichkeit, Ihre Spende direkt zu überweisen.

Sie können zudem mit Angabe des jeweiligen Projektes oder als freie Spende Geld überweisen an: Verein "Leser helfen" IBAN: DE47 8709 6214 0224 4224 40

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