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Diese Bilder gingen um die Welt: Der Kirchenflug von Limbach-Oberfrohna

75 Jahre Freie Presse: Harry Härtel ist Fotoreporter aus Leidenschaft. Seit vielen Jahren ist er auch als Polizeireporter unterwegs. Da ist er einiges gewöhnt. Was er aber in einer Januarnacht 2009 erlebte, hätte er nie für möglich gehalten.

Es ist mal wieder ein anstrengender Tag mit vielen Fototerminen. Also sitzt Harry Härtel, freiberuflicher Pressefotograf in Chemnitz, an jenem 25. Januar 2009 noch kurz vor Mitternacht am Computer und bearbeitet seine Bilder. Plötzlich klingelt sein Handy. In der Leitung ist der Polizeiführer vom Dienst. Er weiß gar nicht so richtig, wie er das Gespräch anfangen soll. Es scheint ihm selbst völlig abwegig, was ihm gerade mitgeteilt wurde. Im Kirchendach in Limbach-Oberfrohna soll ein Auto stecken.

Harry Härtel, der seit Jahren Unfälle fotografiert und in dieser Zeit schon einige Überraschungen erlebt hat, ist sofort elektrisiert. Er schnappt seine Ausrüstung, springt ins Auto - und steht eine halbe Stunde später mitten in der dunklen Nacht an der beschriebenen Unfallkreuzung. Fast zur gleichen Zeit treffen Feuerwehrleute ein. Alle schauen sie sich fragend an: Wo ist denn nun die Unfallstelle?

Erst als eine junge Polizistin mit einer Taschenlampe aufgeregt Richtung Dach der etwas entfernten Kirche zeigt, sehen Fotoreporter und Feuerwehrmänner dieses unglaubliche Bild. Nur das Heck eines Autos ragt noch aus dem zerstörten Kirchendach heraus.

Was war passiert? Wie die Rekonstruktion des Unfalls später ergab, war ein damals 23-jähriger Autofahrer mit seinem Pkw über die Burgstädter Straße auf die Kreuzung vor der Kirche zugerast. Von einer vereisten Böschung wurde das Auto anschließend rund 35 Meter weit durch die Luft direkt in das Dach der Kirche geschleudert. Das Auto blieb in sieben Meter Höhe stecken. Der Unfallfahrer überlebte schwer verletzt. An der Kirche entstand ein Sachschaden von über 60.000 Euro.

Nachdem Harry Härtel sich gefasst hat, macht er seinen Job und schießt Dutzende Bilder. Wieder zuhause, setzt er sich sofort an den Computer, bearbeitet die Bilder und verschickt sie an zahlreiche Medien. Bereits gegen 4 Uhr erreicht ihn ein Anruf des Nachrichtenmagazins Stern, das in der nächsten Ausgabe eines seiner Bilder doppelseitig abgdruckte. Seine Bilder schafften es nicht nur sofort in das Frühstücksfernsehen, in die Onlineangebote und die Tageszeitungen in Deutschland, praktisch auf jedem Kontinent wurden die Bilder in den Tagen danach veröffentlicht.

"Das war schon ein absoluter Höhepunkt für mich - auch finanziell, aber zur Ruhe konnte ich mich danach dann doch nicht setzen", schmunzelt der umtriebige Fotoreporter. Anfragen zu seinen Bildern von vor zwölf Jahren gibt es noch immer. So fragen regelmäßig Physikstudenten nach, die sich innerhalb ihres Studiums wissenschaftlich mit diesem unglaublichen Vorfall beschäftigen. Einem Gutachten für den Gerichtsprozess zufolge war der Mann zum Zeitpunkt des Unfalls mit Tempo 139 auf der Gegenfahrbahn unterwegs und hatte laut Experten mindestens 0,45 Promille Alkohol im Blut. Weil der Fahrer überlebte und das Gebäude nicht in Flammen aufging, sprachen die beiden Pfarrer der Kirche von einem Wunder Gottes.

Eine Mail mit Bildern verschickte Harry Härtel nach seinem nächtlichen Einsatz auch an den Polizeiführer vom Dienst, der ihn Stunden vorher informiert hatte. Damit wollte er ihm die Gewissheit geben, dass ihm die Polizisten vor Ort mit ihrer Meldung doch keinen Bären aufgebunden hatten.

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