Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen
Das Ehepaar Hartmann auf Augenhöhe – zumindest im Bild. Dieses stammt aus der Denkschrift „100 Jahre Hartmann Textilmaschinenbau“ von 1937, verfasst von Dr. Friedrich Haßler (1892 bis 1972), VDI Berlin. Hier zur Verfügung gestellt vom Eisenbahnmuseum.
Das Ehepaar Hartmann auf Augenhöhe – zumindest im Bild. Dieses stammt aus der Denkschrift „100 Jahre Hartmann Textilmaschinenbau“ von 1937, verfasst von Dr. Friedrich Haßler (1892 bis 1972), VDI Berlin. Hier zur Verfügung gestellt vom Eisenbahnmuseum. Bild: Repro: Sächsisches Eisenbahnmuseum Chemnitz-Hilbersdorf
Chemnitz
Hartmannfabrik Chemnitz: Wer die starke Frau hinter dem Erbauer war

Wenn am 3. Mai die Hartmannfabrik als Zentrum der Kulturhauptstadt Chemnitz eröffnet wird, steht Richard Hartmann als Grundsteinleger für das Industriedenkmal im Fokus. Wegbereiterin für den Erfolg des Eisenbahnkönigs war die sparsame Tochter eines Gastwirtes.

Chemnitz.

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht bekanntlich eine starke Frau – so zumindest sagt es ein viel zitiertes und oft salopp dahergesagtes Sprichwort. Wie viel Augenhöhe Richard Hartmann seiner Frau Bertha Hartmann tatsächlich vor dem Hintergrund der damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten zugestanden hat – darüber darf spekuliert werden. Denn eigentlich sei nicht viel von ihr bekannt, sagt Gästeführer Eberhard Fiebig. Doch das Wenige, was man von ihr weiß, offenbart: Die Tochter eines Gastwirtes und Fleischers bereitete ihrem Ehemann den erfolgreichen Weg entscheidend mit. Darüber erzählt Fiebig am Freitag, den 26. April, auch, wenn er als Richard Hartmann verkleidet wieder zu einer Stadtführung in Chemnitz einlädt.

Bertha war die Eintrittskarte in die bürgerlichen Kreise von Chemnitz

Bertha Hartmann wurde am 29. Dezember 1813 als Bertha Oppelt geboren. Ihr Vater Wilhelm Oppelt betrieb eine Wirtschaft namens „Oppelts Garten“ an der Annaberger Straße. In dieser Gastwirtschaft lernten sich die Tochter des Hauses und der spätere Eisenbahnkönig kennen. Richard Hartmann war 1832 als junger Zeugschmied-Geselle vom Elsass in die junge Industriestadt Chemnitz gewandert und hatte sich hier niedergelassen. Im Sommer 1837 wurde Bertha schwanger, im Oktober darauf heiratete das Paar. Der erste Sohn, Johann Wilhelm Richard Hartmann, kam vier Monate nach der Hochzeit zur Welt.

Richard Hartmann alias Eberhard Fiebig: Was der Gästeführer Chemnitzern und Gästen über die Frau an der Seite des Eisenbahnkönigs erzählen kann.
Richard Hartmann alias Eberhard Fiebig: Was der Gästeführer Chemnitzern und Gästen über die Frau an der Seite des Eisenbahnkönigs erzählen kann. Bild: Toni Söll/Archiv

Bertha Oppelt muss für den vier Jahre älteren Richard Hartmann eine gute Partie gewesen sein, denn mit der Heirat habe er die „Eintrittskarte“ in die bürgerlichen Kreise der Stadt erhalten, berichtet Eberhard Fiebig und erwähnt, dass in „Oppelts Garten“ auch der Herrenverein „Das Austerkränzchen“ gegründet wurde – eine elitäre Freimaurer-Gruppe. Fakt ist: 1837 war auch das Jahr, in dem Richard Hartmann mit einem Geschäftspartner eine Maschinenbauwerkstatt für Spinnmaschinen gründete und damit zum Unternehmer wurde.

Berthas Sparstrumpf sicherte das erste Patent

In diesem Zusammenhang kursiere eine überlieferte Geschichte, verrät der Gästeführer Fiebig. Dank Berthas Geschäftssinn habe sich Richard die Patentrechte für eine neu entwickelte Vorkrempelmaschine namens „Continue“ sichern können. Die Erfindung soll Hartmann zuvor einem Erzgebirger abgekauft haben – mit dem Geld, das Bertha für solche Zwecke gespart hatte und wofür ihr Mann monatlich immer zwei Gulden bei ihr abliefern musste. Insgesamt 1500 Gulden sollen laut Fiebig so in Berthas Sparstrumpf zusammen gekommen sein.

Die Hartmannfabrik (rot markiert) im Verhältnis zum gesamten Plan der Sächsischen Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann AG um 1900.
Die Hartmannfabrik (rot markiert) im Verhältnis zum gesamten Plan der Sächsischen Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann AG um 1900. Bild: Repro und Grafik: Toni Söll/Mark Frost/Archiv

Spinnmaschinen, Dampfmaschinen, Lokomotiven: Richard Hartmann baute sein Portfolio stetig aus. 1848 erhält er als einer der ersten Lokomotivenbauer mit der Königlich-Sächsischen Staatseisenbahn einen großen Kunden für sein neues Produkt – der Grundstein für den Aufstieg zum Eisenbahnkönig von Sachsen. Schließlich umfasste das Imperium der Richard Hartmann AG (später Sächsische Maschinenfabrik) mit immer neuen Produktionsstrecken eine Fläche von 260.000 Quadratmetern mit 116 Gebäuden und 22 hohen Schornsteinen, die sich von der Chemnitz bis zum Schloßteich erstreckten. Die jetzt sanierte Hartmannfabrik ist die einzig erhaltene Produktionshalle. Der Grundstein für das als Maschinenbauhalle genutzte Bauwerk wurde vor 160 Jahren im Juni 1864 gelegt. Und sie ist ebenso Bestandteil der Führung von Eberhard Fiebig wie die Hartmann-Villa an der Kaßbergstraße 36, wo die Tour um 16.30 Uhr am Freitag startet.

Wilhelmine – die uneheliche Tochter des Eisenbahnkönigs

Richard Hartmann starb 1878. Zehn Jahre zuvor waren zwei Söhne und ein Schwiegersohn Gesellschafter seines Unternehmens geworden, das nach der Jahrhundertwende und vor dem Ersten Weltkrieg seine umsatzreichsten Jahre erlebte. Und Bertha Hartmann? Nebst ihrer Sparsamkeit hatte sie ihrem Mann insgesamt acht Kinder geschenkt. Sie starb neun Jahre vor ihrem Mann im Alter von 55. Und es existiert auch noch ein pikantes Detail aus dieser Ehe, das den Namen Wilhelmine trägt. Die uneheliche Tochter von Richard Hartmann wurde 1847 geboren – im gleichen Jahr, in dem Eugen, das drittjüngste Kind von Bertha geboren wurde. (suki)

Anmeldung Gästeführung unter [email protected]

© Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG
Das könnte Sie auch interessieren
15.07.2025
4 min.
Ende einer Ära: Traditionsgaststätte in Hartmannsdorf steht vor Schließung
Das Gastwirtspaar Kerstin und Matthias Siegel vom „Bergschlösschen“ in Hartmannsdorf. Die Gaststätte wird Mai 2026 nach 90 Jahren geschlossen, wenn sich kein Nachfolger findet.
Matthias und Kerstin Siegel wollen sich nach 45 Jahren aus dem Gastgewerbe zurückziehen. Dass das „Bergschlösschen“ bald zumacht, sorgt für Unruhe bei den Gästen. Findet sich ein Nachfolger für das Traditionslokal?
Bettina Junge
08:00 Uhr
1 min.
Next-Generation-Motocross-Meisterschaft: Reichenbacher will Podestplatz nicht hergeben
Vogtländer Anton Seidel beeindruckt in der NGMX mit seinem 2. Platz. Noch sind 28 Punkte Rückstand zum Ersten aufzuholen.
Stefan Friebel
30.12.2024
3 min.
Chemnitzer Stadtführer starten mit einem Sternmarsch ins Kulturhauptstadtjahr
Stadtführer Eberhard Fiebig schlüpft wieder in die Rolle des Fabrikanten Richard Hartmann.
Noch vor der offiziellen Eröffnungsfeier bietet der Verein der Gästeführer ein besonderes Erlebnis für Chemnitzer und Besucher der Stadt.
Jens Kassner
15.07.2025
1 min.
Gewitterfront über Chemnitz: Feuerwehr rückt mehrmals aus
An der Jagdschänkenstraße stand das Wasser unter einer Brücke knietief.
So mancher wurde in der Mittagspause am Dienstag nass. Ein kurzes, aber heftiges Gewitter zog über die Stadt und blieb nicht folgenlos.
Susanne Kiwitter
08:00 Uhr
3 min.
Mission der Weißenborner Handballerinnen startet in Riesa
Wollen diesmal nicht nur aufs Podest, sondern den „Pott“ gewinnen: die Handballerinnen des SV Rotation.
In der 1. Runde des Handball-Sachsenpokals haben die Teams aus Freiberg unterschiedlich schwere Aufgaben erwischt. Die Männer aus Freiberg und Weißenborn dürfen dabei zuhause spielen.
Steffen Bauer
13.07.2025
11 min.
Zschockes letzter Wunsch: Noch einmal zum Elternhaus in Chemnitz
 9 Bilder
Am Ende sind es vermutlich die kleinen Momente, die im Leben zählen. Eberhard Zschocke wollte gerne seinen Freunden sein Elternhaus zeigen.
Was möchte ein schwerkranker Mensch noch einmal erleben? Der „Wünschewagen“ versucht es möglich zu machen. Für Eberhard Zschocke ging es mit seinen zwei Freunden zum Elternhaus nach Chemnitz.
Josua Gerner
Mehr Artikel