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Demenz: Universität Halle und Auer Pflegedienst forschen gemeinsam
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Wissenschaftler aus Halle und Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes Zion aus Aue gehen der Demenz, einer tückischen Krankheit, auf den Grund. Von der Suche nach Möglichkeiten, wie Betroffene möglichst lange selbstbestimmt leben können.
Die Diagnose "Demenz" ist tragisch. Sie kann jeden ereilen. Die Anzahl der Betroffenen steige, so die Erfahrungen der Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes Zion mit Sitz im Diakonissenhaus Aue. Das Team ist derzeit Teil eines Forschungsprojekts mit der Universität Halle.
"Wir wollen praxistaugliche Strategien entwickeln, die Menschen mit Demenz im Alltag eine größtmögliche Selbstständigkeit verleihen", sagt Anja Bieber, wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft in Halle. Sie begleitet Katja König, die stellvertretende Pflegedienstleiterin bei Zion in Aue, einmal pro Woche bei Hausbesuchen. Von 92 ambulanten Patienten hat sich ein Ehepaar bereit erklärt, an dem Forschungsprojekt teilzunehmen.
Kleine Entscheidungsräume helfen
Dass es überhaupt Mitwirkende gibt, freut Katja König sehr: "Im Normalfall führt die Diagnose ,Demenz' dazu, dass sich die Menschen zurückziehen - sowohl Angehörige als auch Betroffene." Deshalb sei ihnen schwer zu helfen, die selbst auferlegte Sperre müsse aufgebrochen werden. Kleine Entscheidungsfreiräume würden reichen, ein Leben trotz Demenz lebenswert zu machen. "Zum Beispiel die Entscheidung, wann ich esse und was ich essen will. Oder welchen der Pullover ich anziehe, die mir der Pflegedienst zur Auswahl bietet, wann ich mich zum Ausruhen hinlege, wo und wie ich dabei liegen will", erläutert Anja Bieber.
Umfrage zeigt, was ältere Menschen wollen
Diese Erkenntnisse kommen nicht von ungefähr. So gab es im Zuge des Projekts eine anonymisierte Umfrage unter älteren Menschen, was für sie Selbstbestimmung bedeutet. In der eigenen Bettwäsche schlafen, nicht wie ein Kind angesprochen werden, Alltagsdinge wie einen Einkauf eigenständig regeln - das sind nur einige Dinge, die älteren Menschen wichtig sind. Klare Worte habe eine Frau gefunden, die Selbstbestimmung bei Demenz für unvernünftig hält, weil diese zu viele Gefahren berge. "Bei unserer Umfrage war das eine Einzelmeinung, die wir aber genauso akzeptieren", sagt Bieber. Einen anderen Ansatz verfolge die nationale Demenzstrategie. "Sie forscht zu drei Säulen: Medikamente, Diagnostik und Therapie sowie die Versorgung Betroffener." Die Krankheit ist unheilbar. Daher widmen sich die Universitäten Halle, Köln und Düsseldorf in mehreren Projekten der Vernetzung von Pflegepraxis und Wissenschaft bei Demenz - kurz Prawidem genannt.
Projekt soll Pflegende perspektivisch entlasten
Der Pflegedienst Zion leistet dazu einen Beitrag. Dennoch gebe es im Team dem Projekt gegenüber auch Skepsis, gesteht König: "Manche befürchten zusätzliche Arbeit." Das sei jedoch nicht so. Im Gegenteil. "Wir wollen es auch unseren Mitarbeitern leichter machen, indem sie Betroffene nicht einfach ,durchpflegen'', sondern sie in einige Prozesse so lange wie möglich aktiv einbinden: etwa beim Waschen, Essenkochen oder Rausgehen."
Weil das Projekt parallel zum ohnehin hohen Arbeitspensum läuft, sei es herausfordernd für alle. "Durch die Einblicke in die Praxis erhalten wir wichtige Erkenntnisse, wie ein Umgang im Sinne der Selbstbestimmung aussehen kann", verdeutlicht Bieber. Ziel sei im Idealfall, dass Pfleger mit Patienten und Angehörigen ein Team bilden. "Um Menschen mit Demenz an der richtigen Stelle abzuholen, braucht es feine Antennen", weiß König. Denn die Krankheit verlaufe sehr individuell.
Anfang 2024 läuft das Forschungsprojekt nach drei Jahren Dauer aus. Dann soll ein "Katalog" mit Handlungsempfehlungen entstehen, von denen sowohl Patienten als auch Pflegende profitieren.