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Von einem, den man nicht so schnell vergisst

Pierre Jarawan erweist sich einmal mehr als ein Magier der Sprache

Schon mit seinem Roman "Am Ende bleiben die Zedern" erzielte Pierre Jarawan einen sensationellen Erfolg. Der zweite könnte daran anknüpfen. Wieder entführt uns der Autor in den Libanon nach Beirut, dem "Paris des Nahen Ostens". Die Handlung setzt 2011 ein, als Amin Elmaalouf, der Ich-Erzähler, beginnt, seine Erinnerungen an das Jahr 1994 niederzuschreiben, als er mit seiner Großmutter Yara aus Deutschland in den Libanon zurückgekehrt war. Dazu arbeitet er viel in Archiven und Bibliotheken, um die Geschichte seiner Herkunft aufzuarbeiten, die eng mit der seines Landes verbunden ist, und um sich seiner selbst zu vergewissern.

Zwölf Jahre zuvor war Yara mit dem Jungen nach Deutschland ausgereist, nachdem seine Eltern 1981 bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Die Großmutter fühlte sich nicht mehr sicher in Beirut, zumal sie sich von ihrem Mann getrennt hatte. Er hatte in einer führenden Bank des Libanon eine wichtige Stellung bekleidet und nach dem Zusammenbruch jeden Halt verloren. Seinem Freund nahm er das Versprechen ab, sich um Yara und Amins Mutter zu kümmern.

Amin fühlt sich zunächst fremd in der neuen Umgebung, bis er den gleichaltrigen Jafar kennenlernt und mit ihm Freundschaft schließt. Gemeinsam durchstreifen sie die Ruinen, verdienen auf abenteuerliche Weise etwas Geld, bis zu dem Tag, an dem Jafar ihn verleugnet. Amin versucht sein Verhalten zu ergründen, doch er findet keine Antwort. Erst Jahre später gelingt ihm das.

Der Autor schuf mit Amin und Jafar unvergessliche Figuren. Aber auch in den Nebenfiguren zeichnet er lebendige, berührende Charaktere. Da sind der kluge, verständnisvolle Abbas, der Amin wie ein älterer Freund zur Seite steht. Vor allem ist das die Großmutter, die aufopfernd für ihren Enkel und ihre Freunde sorgt. Sie wollte als junges Mädchen Malerin werden, was ihr der Vater strikt verbot. Erst als ältere, unabhängige Frau konnte sie ihren Traum verwirklichen. Dies zeigt auf unaufdringliche Weise, wie es um die Rolle der Frau in der Gesellschaft bestellt war. Amins Mutter durfte in Paris Kunst studieren. Mit einem von ihr geschaffenen wunderschönen Gemälde, das "Ein Lied für die Vermissten" betitelt wird, schuf der Autor ein Symbol, wie das Schicksal der Familie Elmaalouf gleichsam für die 17.415 Menschen steht, die noch immer im Libanon vermisst werden.

Jarawan schreibt in einer klaren poetischen Sprache, die emotional bewegt. Beeindruckend schildert er die Landschaft, die einen magisch anzieht, und die Städte des Libanon, verzaubert durch stimmungsvolle Bilder. Virtuos verknüpft er die Geschehnisse des Nahen Ostens, den Bürgerkrieg und den Arabischen Frühling, mit dem Leben des Erzählers - die Geschichte eines Libanesen, die man sobald nicht vergisst.

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