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Du machst was? Ein Volontariat!

Berufliche Entscheidungen der Familie zu erklären, kann hart sein. Besonders wenn diese nicht weiß, was man da eigentlich genau macht.

Sonntags, irgendwann Anfang September 2020. Ich sitze mit meiner Mutter und meinen Großeltern am Mittagstisch. Klöße und Braten dampfen auf meinem Teller, fast schon ober-deutsch, aber einfach lecker. Es ist still, immerhin essen alle. Dann bricht meine Oma das Schweigen: "Wo ziehst du dann im Oktober hin?" Mein Opa schaut kurz auf. Dass ich umziehe, weg aus meiner Heimatstadt Plauen, findet er gar nicht mal so toll. "Nach Chemnitz, Oma", murmle ich. "Ja und was genau machst du da?" Ein Volontariat bei der "Freien Presse" lautet meine Antwort. Oma stutzt und zieht die Augenbrauen etwas hoch. "Was?" Ich bin mir etwas unsicher, ob sie mich einfach schlecht verstanden hat oder nicht weiß, was das ist. "Ein Volontariaaat", wiederhole ich lautstark. Sie nickt, hatte es wohl einfach nicht verstanden.

Aber was ist ein Volontariat überhaupt? Auch wenn meine Oma das an diesem Tag nicht wissen wollte, wird mir diese Frage häufig gestellt. Manchmal sage ich dann: "Es ist ein bisschen mit dem Referendariat im Lehramt vergleichbar. Jeder Lehramtsstudent muss erst mal als Lehrer auf Probe an einer Schule arbeiten, im Vorbereitungsdienst eben." Nur ist das Volontariat kein Vorbereitungsdienst und Teil des Studiums normalerweise auch nicht. Es ist auch keine Ausbildung, selbst wenn es gerne so genannt wird.

Als Volontärin bin ich eine Person, die das journalistische Handwerk direkt in einem Medienhaus lernt. Eine angehende Journalistin, eine Redakteurs-Anwärterin. Das Volontariat ist eine wichtige Qualifikation für mein Berufsfeld, dient als eine Art Gütesiegel. Denn anders als beim Arzt, der Medizin studiert und eine Doktorarbeit geschrieben haben muss, um sich so nennen zu dürfen, ist der Titel des Journalisten nicht geschützt. Jeder, der Medien produziert, darf sich theoretisch so nennen. Nur die wenigsten Hobby-Blogger. Podcaster oder Social-Media-Influencer wissen aber, wie komplex echter Journalismus ist.

Wer damit sein Geld verdient, muss ein Alleskönner sein. Morgens schon das Handy in der Hand und über den neuesten Stand der Dinge informiert, über das Weltgeschehen genauso im Bilde wie über alles, was vor der eigenen Haustür passiert, gut mit Zahlen, toll mit Menschen, fit im Presserecht, technisch versiert, pünktlich, strukturiert und fähig, sich in jedes noch so schwierige Thema einzuarbeiten.

Habe ich als Volontärin diese Anforderungsflut sofort erfüllt? Absolut nicht. Mein erster Arbeitstag war ein mentales Desaster und das obwohl ich Medienmanagement studiert, danach beim Radio gearbeitet und mich sicher gefühlt habe. Zu sicher, wie ich dann am 1. Oktober 2020 feststellen durfte, nur etwa einen Monat nach dem Gespräch mit meinen Großeltern.

Um zehn Uhr sollte ich in der Lokalredaktion Chemnitz erscheinen, meiner ersten von vielen Stationen bei der "Freien Presse". Der Schrecken fing schon eine Stunde eher an, als ich meinen Autoschlüssel nicht finden konnte. Also bin ich zu Fuß durch Chemnitz gelaufen, dann gerannt, das Navi auf meinem Smartphone immer aktiv. Völlig außer Atem kam ich dann endlich an meinem neuen Arbeitsplatz an. Ein Großraumbüro im ersten Stock der Hauptredaktion an der Brückenstraße. Alles war so neu und ich mit noch nichts und niemandem vertraut. Meinen neuen Kollegen habe ich mich kurz vorgestellt, sonst aber kein Wort mit ihnen gewechselt. Nein, ich wollte ja meine Aufgabe erfüllen, die ich bekommen habe: Themen für meine ersten Artikel heraussuchen. Geklappt hat das nicht wirklich. Ich saß völlig verkrampft an meinem Tisch samt PC. Am Ende des Tages hatte ich ein Worddokument mit drei halbwegs interessanten Rechercheansätzen und einen Heulkrampf erster Güte.

Natürlich hatte niemand von mir erwartet, dass ich am ersten Tag, sogar in der ersten Woche Top-Leistungen bringe. Ich hätte meine Kollegen um Hilfe bitten oder die Stadt erkunden können. Über ein bis zwei Jahre, so lange dauert ein Volontariat in der Regel, hat man das Privileg, wie ein vollwertiger Redakteur recherchieren, publizieren und eigene Projekte übernehmen zu dürfen, ohne dabei allein gelassen zu werden. Das ist auch deshalb wichtig, weil man alle drei Monate seinen Arbeitsplatz wechselt, mal in den Lokalredaktionen, mal im Mantel der Zeitung tätig ist. Das ist auf jeden Fall abwechslungsreich, gleichzeitig muss man sich ständig umorientieren. Fragen und Anweisungen von den Kollegen sind also Goldes wert.

Meine bislang prägendsten Erfahrungen habe ich während meiner Zeit in Leipzig gesammelt. Fünfmal, je für drei Tage, schickt die "Freie Presse" ihre Volos für Schulungen an die Leipzig School of Media. Doch weder das schicke Gebäude im hippen Stadtteil Gohlis noch die Kurse zu Trendforschung oder Recherchetools haben mich so beeindruckt, wie die Menschen, die ich dort kennenlernen durfte. Ob Oli aus dem Schwarzwald oder Brita aus Köln, alles andere Volos mit anderen Geschichten, die wir beim gemeinsamen Abendessen in der Innenstadt geteilt haben. Die Freundschaften, die ich dort geschlossen haben, bestehen zum Teil noch heute.

Die vielen Kontakte, das stets Neue und Unbekannte, das Grübeln und Zanken über die Themen, der Stress aber auch die Freude über jeden gelungen Artikel sind genau die Erfahrungen, wegen denen ich mein Volontariat bei der "Freien Presse" so schätze. Die anfänglichen Tränen sind inzwischen einem breiten Lächeln gewichen.

Wenn auch Sie Interesse haben, sich im Journalismus - sei es Online oder Print - beruflich zu verwirklichen und über ein Abitur verfügen, dann nehmen Sie doch einfach Kontakt mit uns auf, um über die Möglichkeiten eines Volontariats zu sprechen: jana.klameth@freiepresse.de

Alle Beiträge zu "75 Jahre Freie Presse" in unserem Spezial

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