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Für die Hochzeit in Weiß: Eine dreifache Mutter und ihr Kampf gegen den Tod

Heike Dittmann, 44 Jahre alt, hat vor vier Wochen die Diagnose Krebs erhalten. Zum zweiten Mal. Vor der Bestrahlung schnitt sie sich ihre Haare noch kürzer. Wie viel Zeit ihr mit der Familie bleibt, fragt sie die Ärzte nicht. Ihr großer Wunsch: eine Hochzeit in Weiß.

Kirchberg.

Sie ist pink. Keine andere trägt diese Haarfarbe so selbstbewusst wie sie. Heike Dittmann - Mama von Presley, Paxton, Pacey und einem Sternenkind - ist eine von den Frauen, die laut und dabei trotzdem leise sind. Es dauerte ein Stück, bis sie mit Sandy das erste Mal ausging. Er musste sich dafür richtig ins Zeug legen. Die zierliche 17-Jährige - seine süße Maus wie er sie nennt - achtete penibel darauf, dass die gemeinsamen Unternehmungen nicht viel kosteten. Dabei wollte er ihr doch etwas bieten. Ein bisschen umgarnen vielleicht.

Es klingt bei diesem Paar absolut nicht abgedroschen: Sie ist seine große Liebe, und er ist ihre. Sie gründeten in Kirchberg eine lustig-fröhliche Familie. Lieben es, Quatsch zu machen. Genießen es, wenn sie alle Fünf zusammen sind. Mögen es, Pläne zu schmieden.

Vor 18 Jahren war der gemeinsame Familienname wichtig

Reisen und den Kindern viel von Europa zeigen. Umziehen wollten sie. Vielleicht in zehn Jahren - vom fünften Stock ins Parterre. Um es im Alter leichter zu haben, sagen sie. Zu zweit eine Vorstellung in der Semperoper. Und richtig heiraten, das war bislang der größte Plan der Dittmanns. Vielleicht zur Silberhochzeit? Richtig heißt: sie in weißem Brautkleid. Vor 18 Jahren reichte dafür das Budget nicht. Aber der gemeinsame Familienname zählte, so wurde nur eine kleine Hochzeit in Heringsdorf gefeiert. Presley, der Große, ist damals gerade anderthalb Jahre alt.

Vor vier Wochen, von einem Tag auf den anderen, aber änderte sich der Plan. Heike Dittmann, 44 Jahre alt, hat sich Perücken bestellt. "Ja, ich plane. Schon wieder. Ich kann nicht anders, und bei Sandy ist es ähnlich", sagt Heike Dittmann. Sie weicht dem direkten Blick des Gegenübers nicht aus. Auch nicht, als sie anfügt, dass sie wisse, was kommt. Ihr Ehemann Sandy, der die gesamte Zeit ihre rechte Hand hält, streichelt ihr zärtlich den Arm. Das Paar küsst sich.

Was kommt? Wenige Wochen nach Beginn der Chemotherapie gegen den Brustkrebs hatte Heike Dittmann ihre Haare verloren. Ihre langen blonden Haare. Sie verlor auch Freunde: Mancher habe nicht die Kraft, einem Krebspatienten zu begegnen, sagt sie heute. Paxton und Pacey, die beiden Kleinen, gerade mal fünf und sieben Jahre alt, hätten die Erkrankung der Mama schon damals mitgekriegt. "Mama, du bist auch mit Glatze hübsch."

"Die Rückenschmerzen habe ich abgetan"

Das 2019 sei zu dem heute nur ein Klacks gewesen. Nichts Schlimmes. Doch dann schränkt Heike Dittmann ein: für ihren Sandy schon. Anders als seine Frau weiß er, der Notfallsanitäter, was der Krebs für ein Scheißkerl ist. Dieser Scheißkerl hat sich lange unbemerkt im Körper breitgemacht. "Die Rückenschmerzen habe ich abgetan. Ich dachte, ich müsste einfach nur etwas ausruhen, wenn es mir mal nicht so gut ging." Abgetan habe sie auch den Sturz von der Schaukel im Familienurlaub in Dänemark. "Wir haben rumgealbert. So wie wir halt sind." Sandy Dittmann registriert, dass sich seine Heike auch zuhause nicht erholt. Drängt sie, zum Arzt zu gehen. Das war vor vier Wochen.

Die Röntgenbilder der Patientin zeichnen ein Schreckensbild: Entlang der Wirbelsäule hat der Krebs gestreut. Die Ärzte hoffen, das Wachstum der Metastasen durch Bestrahlung zu stoppen. Heike Dittmann kämpft. Sandy Dittmann kämpft. Doch jeden Tag im Krankenhaus gibt es neue Hiobsbotschaften. "Sobald Heike stabil ist, holen wir die Hochzeit nach", sagt Sandy Dittmann. Er spricht davon, dass eine Operation geplant sei, um die Wirbelsäule zu stabilisieren, damit die Gefahr der Querschnittslähmung gebannt ist. "Ihre Wirbel zerbröseln wie Staub."

Flitterwochen für alle Fünf

Die Hochzeitspläne sind vorgezogen. "Ich möchte mit Pacey zusammen das Hochzeitskleid aussuchen. Das Kleid soll schlicht sein, so dass es meine Tochter bei ihrer Hochzeit nach ihren Wünschen gestalten und auch tragen kann." Keine Frage, die Kinder müssen bei der Hochzeit dabei sein. Die Eltern natürlich.

Die Hochzeit von Heike und Sandy soll nix Pompöses werden. Und natürlich fahren sie in die Flitterwochen - selbstverständlich alle Fünf. Die Hochzeitstorte ist kein Thema. Sandy Dittmann hatte es schon einmal fertiggebracht, seine Frau mit einer dreistöckigen Torte zum Hochzeitstag zu überraschen. Pink der Fondant. Bis heute kann er sich nicht erklären, weshalb seine Frau nichts von seiner Arbeit in der Küche bemerkte: "Dabei roch es nach Kuchen. Ich musste doch die drei Böden backen." Sie lachen beide. Liebevoll schauen sie sich in die Augen.

Sandy Dittmann muss weiterdenken

Von Heikes Diagnose erfahren die Freunde und Bekannten. Sie wollen die Kirchberger Familie unterstützen, planen einen Spendenaufruf. "Mir war das gar nicht recht. Ich konnte damit nicht umgehen, hab' noch nie Hilfe angenommen. Wir helfen anderen. An mich selbst habe ich als stellvertretender Wachleiter nie gedacht", sagt Sandy Dittmann. Doch dem Notfallsanitäter ist auch bewusst, dass er weiterdenken muss: Die neunjährige Pacey soll nächstes Jahr ans Gymnasium wechseln. Schulmaterial, Klassenfahrten - das muss alles bezahlt werden. Das alles muss Daddy, so ruft Heike Dittmann liebevoll ihren Mann auch mal quer durch den Supermarkt, sie lachen bei den Gedanken daran. Das alles muss der dreifache Familienvater auch allein stemmen. Er möchte stark sein für die Kinder. Doch auch wenn er zuhause viel weint, er ist stark.

Die Kollegen von der Kirchberger Johanniter-Rettungswache hätten ihn gedrängt, sich krankschreiben zu lassen. "Erst wollte ich das absolut nicht", sagt der 49-Jährige. Jetzt sei er ihnen dafür dankbar. "Wir verbringen im Dienst so viel Zeit miteinander. Die Kollegen sind unsere Ersatzfamilie, sagen wir immer. Stehen schwierige Einsätze gemeinsam durch. Sprechen über unsere Freude und über unsere Sorgen." Jetzt sind alle noch näher zusammengerückt.

Heike Dittmann hat ihre Haare noch kürzer geschnitten. Pink ist ihr Statement. Sie möchte nicht wissen, wie viel Zeit ihr bleibt. Zeit mit allen gemeinsam zu verbringen, sei viel wichtiger, sagt sie. Das Paar hat gemeinsam die wichtigen Fragen geklärt. Es gibt von beiden ein Testament. "Wenn Sandy losfährt, sage ich, er soll vorsichtig sein. Ihm kann auch etwas passieren." Wer wissen möchte, was mit ihr sei, der könne sie fragen. Sie werde antworten.

Im Krankenhaus hat Heike Dittmann zu malen begonnen. Dann denkt sie nicht über ihre Erkrankung nach. Eine lange Liste per Whatsapp war es, die Daddy abarbeiten musste. Er lächelt: "Ja, meine Heike hat viele Ideen. Sie schreibt Karten für die Kinder." "Das haben wir mal in einem Film gesehen und fanden es so schön", vervollständigt Heike Dittmann. Und ihrem Partner zugewandt: "Du musst sie den Kindern dann geben. Für dich schreibe ich auch."

Spendenkonto Verein "Leser helfen"

IBAN: DE 4787 0962 140 22 44 22 44 0

Kennwort: Hochzeit

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