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Zum Landeswettbewerb in Dresden: Was sich bei "Jugend musiziert" in den nächsten Jahren ändern muss

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Die 1964 ins Leben gerufene Institution ist in die Jahre gekommen. Besonders die ostdeutschen Musikräte fordern eine Reform, die das Profil der Regional-, Landes- und Bundesstufe schärft

Musikalische Nachwuchsförderung.

Wenn an den kommenden beiden Wochenenden in Sachsens Hauptstadt Dresden 423 Jugendliche beim Landesausscheid "Jugend musiziert" um Punkte und Prädikate spielen, dann könnte das zugleich der Abschied von dem Wettbewerb sein wie man ihn seit 1964 in West- und seit 1991 in Ostdeutschland kennt. Der aktuelle Jahrgang, beobachtet Torsten Tannenberg, Geschäftsführer des ausrichtenden Sächsischen Musikrats, fällt hinsichtlich der Teilnehmerstärke verglichen mit dem Jahrgang 2018 im Regionalwettbewerb um ein Viertel kleiner aus. Im Landeswettbewerb sind es knapp 30 Prozent weniger. Die Zahlen bei den Bundeswettbewerben ist derweil überproportional gestiegen. Die Jahrgänge, muss man dazu wissen, lassen sich nicht beliebig untereinander vergleichen, da die Zusammenstellung der jeweiligen Wettbewerbskategorien wie etwa Klavier Solo, Holzbläserensemble et cetera sich nur alle drei Jahre wiederholt und maßgeblich die Zahl der Teilnehmenden beeinflusst. Und Jahrgang 2021 ist zum Vergleich ungeeignet wegen der coronabedingt von der Norm abweichenden digitalen Austragungsweise.

Sind die enormen Rückgänge nun noch der Nachhall von Corona? Einige behaupten das. Einige sehen die Motivation der Musikpädagogen schwinden. Wieder andere befürchten, der "olympische Gedanke", das "Dabeisein ist alles" des Wettbewerbs, sei verlorengegangen. Schon am Regionalwettbewerb nähmen vorwiegend nur noch jene teil, die sich eine Weiterleitung zum Landes- oder Bundesausscheid ausrechnen. 

Wie es mit dem Wettbewerb weitergehen soll, darüber dürfte im Mai bei einem Digitalmeeting der Verantwortlichen der 16 Landesmusikräte heftig gestritten werden. Die finden sich dann virtuell zusammen, um die Ausschreibung für den 62. Jahrgang von "Jugend musiziert" vorzubereiten. Und da, so stellt es Tannenberg dar, stehen, die reformierungswilligen östlichen Landesmusikräte gegen die ihm zufolge eher strukturkonservativen westdeutschen. Um den Wettbewerb wieder attraktiver zu machen, müsse man seine einzelnen Teile je nach ihrem Hauptanliegen im Profil schärfen.  So könnte es, wie er sagt,  eine Maßnahme sein, auf Regionalebene keine Punkte mehr zu vergeben, sondern nur noch Prädikate. Punkte seien für junge Musiker, denen es im Wesentlichen darum geht, bei einem solchen Wettbewerb mit eiserner Disziplin ein Viertelstundenprogramm durchzuspielen, nicht erheblich. 

Beim Landeswettbewerb solle man demnach einen stärkeren Fokus auf die jeweiligen Fördermöglichkeiten für vielversprechende junge Musiker setzen. Und den Bundeswettbewerb schließlich zu einer wirklichen Veranstaltung der Spitzenförderung machen. Die ist er heute nur sehr eingeschränkt, da er immer noch ziemlich gleichmacherisch daherkommt mit der punktesystembedingt möglichen vielfachen Vergabe von Spitzenrängen in derselben Disziplin: "Es sollte in den einzelnen Kategorien wirklich nur noch einen einzigen 1., 2., 3. Preis geben, damit ich mir dafür wirklich was kaufen kann! Damit ich sagen kann, ich war 2025 der 1. Preisträger bei meinem Instrument. Zurzeit komme ich nach Hause und bin einer von sehr vielen Leuten, die einen 1. oder 2. Preis bekommen haben." Da nach sechs Jahrzehnten umzusteuern, so Tannenberg, käme einem Quantensprung gleich. Nötig sei es allemal.

Zum anderen schleppe der Wettbewerb inzwischen zu viele Disziplinen mit sich herum. Da seien zum einen Instrumente mit lediglich regionaler Relevanz, die einst aus rein politischen Gründen in den Wettbewerbskanon aufgenommen wurden, wie die im süddeutschen Raum beheimateten Hackbrett und Zither oder die in migrantischen Milieus etwa in NRW und Berlin gebräuchliche Baglama,  eine türkische Langhalslaute. Das Teilnehmerfeld sei aber stets sehr überschaubar geblieben. Ebenso sei der Versuch "Jugend musiziert" für den Pop zu öffnen, "gnadenlos gescheitert: Da kommt einfach keiner." Im Landeswettbewerb habe man jetzt für Bass-Pop ein einziges Duett am Start. Dafür wolle man sehen, ob man sich stärker auf Pop-Ensemblewertungen verlegt, die in diesem Sektor mehr Sinn ergäben. Durchgesetzt habe sich hingegen Jazz als Kategorie, der in Sachsen seit 1997 Teil des Wettbewerbs ist und nun auf alle Bundesländer ausgeweitet werden soll, mit einem echten Bundeswettbewerb statt wie bisher einer Bundesbegegnung der Landessieger.

So sehr der Zulauf in Region und Land abnimmt, so sehr nehmen wiederum die Teilnehmerzahlen beim Bundeswettbewerb zu,  so Tannenberg. Das hätte wegen der chronischen Unterfinanzierung des Bundesausscheids aus dem Bundesfamilienministerium für dieses Jahr beinahe die Folge gehabt, dass kurzfristig auf Landesebene Kontingentierungen für die Weiterleitung zum Bundeswettbewerb eingeführt worden wären. "Da haben die Länder zum Glück geschlossen gesagt, da machen wir nicht mit! Wir können nicht im Rahmen eines laufenden Wettbewerbs die Konditionen ändern!", sagt Tannenberg und erinnert an die Tausenden hochengagierten Leute, die hinter den Teilnehmenden stehen und die man mit einer solchen Maßnahme in bis dato ungekannter Weise vor den Kopf stoßen müsste.

Außer Zweifel steht für ihn, dass sich der Wettbewerb von Grund auf ändern muss, soll er in zehn Jahren noch Bestand haben. Und er muss einen Nutzen über die Auseinandersetzung Tausender Jugendlicher mit dem kunstgerechten Darbieten von Musik hinaus haben. "Wir haben nicht mehr das Jahr 1968, als ,Jugend musiziert‘ vor allem der Rekrutierung junger Orchestermusiker dienen sollte. Heute brauchen wir Musikpädagogen." Wie müsste sich ein Wettbewerb in diesem Sinne reformieren? Das, gibt Tannenberg zu, weiß er im Moment auch noch nicht. Einen Aspekt sieht er in der Stärkung des Ensemblegedenkens, weg vom Schwerpunkt der Solodarbietung. Aber es werde Zeit, etwas zu tun. 


Es wäre bei einer Institution, die etwa so alt ist wie die Fußball-Bundesliga die erste Reform seit der Einführung des Dreijahresprinzips der rotierenden Kategoriezusammenstellungen. Die war vor vielen Jahren. "Leider bewegen wir uns in unserer Gesellschaft immer erst dann, wenn die Not ganz groß ist und schauen nicht voraus, wie man etwas weiterentwickelt."

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