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TNT für eine Affäre mit "Beate"

Sprengstoff-Beschaffer und Fluchthelfer Thomas S. sollte gestern im NSU-Prozess aussagen. Zuvor beim BKA war er gesprächiger.

München.

Ein Haarkranz ringsum und ein paar Fusseln auf dem Oberkopf zeigten, dass die Glatze des für gestern ans Münchner Oberlandesgericht geladenen Prozesszeugen wohl kein politisches Bekenntnis mehr ist. Sie ist schlicht dem Alter geschuldet. Hat Thomas S. (46), der inzwischen den Nachnamen seiner Frau führt und Thomas M. heißt, noch immer eine rechte Gesinnung, so trägt er sie nicht zur Schau.

1998 hatte er eine rechte Gesinnung. Er war einer der Sachsenköpfe der jetzt verbotenen Neonazi-Organisation Blood & Honour. Auch gilt der heute in Dresden lebende Ex-Chemnitzer als Dreh- und Angelpunkt im Netz Chemnitzer Helfer, als Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von Jena aus dort in den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) abtauchten.

Auf der Zeugenbank mied der Mann gestern Blickkontakt mit Beate Zschäpe, mit der ihn vor dem Abtauchen des Trios ein "Techtelmechtel" verbunden hatte, wie er es nannte. Er habe sich "mehr gewünscht", doch sei Beate noch unzertrennlich mit den Uwes verbunden gewesen, mit denen sie zuvor jeweils auch Beziehungen gehabt hatte. So hatte es Thomas S. in Vernehmungen beim BKA erzählt. Im Prozess, Zschäpe gegenüber und ein eigenes Ermittlungsverfahren wegen NSU-Unterstützung im Nacken, war er weniger gesprächig. Seine Vernehmung dauerte nur eine Minute. Er mache vom Zeugnisverweigerungsrecht als Beschuldigter Gebrauch, sagte Thomas S. und wurde entlassen.

Kiloweise TNT, aber kein Zünder

Doch hatte das Gericht auch jenen BKA-Beamten geladen, der S. 2012 vernommen hatte. Im Verhör habe S. damals bereitwillig geantwortet, wenn auch nicht gleich "alles rausgerückt", entsann sich Kriminalhauptkommissar Ralf B. gestern. S.' Kontakt zum Trio sei 1992 bei einem Rechtsrock-Konzert entstanden. Mundlos und Zschäpe, damals ein Paar, seien ihm von Zschäpes Cousin Stefan A. vorgestellt worden, der schon Kontakte in die Chemnitzer Neonazi-Szene unterhielt. Intensiver sei sein eigener Kontakt zum Jenaer Trio geworden, als er in Haft ging, so S. Mundlos habe Briefe geschrieben, auch Besuche gab es. Als Grund für die Fürsorge machte S. aus, es habe Mundlos beeindruckt, dass er in Haft gegangen sei, ohne Mundlos zu verpfeifen. Zusammen waren beide, Mundlos und Thomas S., Anfang der1990er-Jahre in Einsiedel bei Chemnitz (heute Ortsteil der Stadt) in eine Massenschlägerei mit Soldaten verwickelt gewesen. Nach seiner Haft 1996 oder 1997 sei die Beziehung zu Zschäpe entstanden.

Chemnitzer Szene hatte Kontakt

Im gleichen Atemzug kam es zu S.' Verstrickung ins Besorgen jenes TNTs, von dem die Polizei 1998 1,4 Kilogramm in Zschäpes Jenaer Garage beschlagnahmte. Mundlos habe ihn gefragt, ob er Sprengstoff besorgen könne, gab S. zu, wenngleich es dazu mehrere Anläufe in mehreren Vernehmungen brauchte. Über den Neonazi Jörg W. habe er tatsächlich ein Paket Sprengstoff besorgt. Woher dieses TNT stammte, ist bis heute unklar. S. gab nur an, dass der Neonazi Giso T. als Kurier ebenfalls beteiligt gewesen sei. Er selbst habe das Paket an Mundlos weitergegeben. Später habe der ihn erneut angesprochen und geklagt, das Zeug sei nutzlos. Was keiner bedacht hatte: Für TNT brauchte man Zünder. Ob er die besorgen könne, habe Mundlos gefragt. Dabei habe er aber weder helfen können noch wollen, so S.

Anders, als die just abgetauchten "drei Jenaer" 1998 plötzlich vor seiner Tür standen und einen "Pennplatz" suchten, weil sie mal "weg" müssten. S. räumte ein, dass er das Trio zu Szene-Kamerad Thomas R. gefahren und dort untergebracht hatte. Mehr als ein Dutzend Kontaktpersonen, die das Jenaer Trio schon vorm Abtauchen in Chemnitz kannte, nannte S. Der Chemnitzer Szeneshop-Inhaber Hendrik L. müsse nach dem Abtauchen auch Kontakt zum Trio gehabt haben, so S. Er vertrieb ein von Mundlos entworfenes T-Shirt, mit dem die drei zunächst versuchten, an Geld zu kommen. Auch habe der erste Obdachgeber Thomas R. länger Kontakt gehalten. Über eigene spätere Kontakte schwieg S. Doch muss es auch sie gegeben haben. Auf die Spur kam man Thomas S. schließlich durch einen Dresdner Nachbarn. Der hatte in jenem Uwe Mundlos aus Zeitungsberichten einen noch nach dem Jahr 1999 bei S. ein- und ausgehenden Besucher erkannt. Pikant ist das deshalb, weil Thomas S. ab dem Jahr 2001 fürs Berliner LKA arbeitete - als V-Mann.

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