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Influencerin wird oft gefragt: „Kann ich mir deinen Mann mal ausleihen?“

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Frauen übernehmen immer noch mehr Arbeit in der Familie als Männer – zumindest laut Statistik. Jasmin und Steve wollen es anders machen.

Chemnitz.

Jasmin wäscht Wäsche, räumt auf und kümmert sich um das Baby – trotzdem kommt ihr Mann Steve manchmal am Nachmittag nach Hause und fragt: „Was hast du eigentlich den ganzen Tag gemacht?“ Irgendwann reicht es ihr. „Nicht nur, dass er nicht gesehen hat, was im Haushalt zu tun ist. Er hat auch gar nicht gesehen, dass ich etwas getan habe.“

Jasmin, beiges Kleid und lange braune Haare, sitzt neben ihrem Mann auf dem Sofa, während sie das erzählt. Steve trägt Holzfällerhemd und Bart und hat gerade die Tochter von der Tagesmutter abgeholt. Die beiden wohnen in einem Ort im Landkreis Mittelsachsen und sind verheiratet. Die einjährige Tochter bastelt während des Interviews nebenan einen Hamburger aus Plastiktomaten und Plastiksalat. Auch bei Jasmin und Steve ist es lange so, wie das Statistische Bundesamt 2022 in einer Studie feststellt: Frauen übernehmen mehr Arbeit in Haushalt und Kinderpflege, Männer weniger.

Jeder hat seinen Aufgabenbereich

Bis Jasmin entscheidet: So kann es nicht weitergehen. Sie findet, dass Steve undankbar ist und die beiden setzen sich an einen Tisch. Seitdem teilen sie die Arbeit gleichmäßiger unter sich auf. Jetzt sehen ihre Tage etwa so aus: Jasmin kümmert sich morgens um die Tochter und erledigt nebenbei die erste Hausarbeit. Steve ist zu dem Zeitpunkt schon auf Arbeit. Danach schafft sie ihre Tochter zur Tagesmutter und nutzt die Zeit allein: „Bevor ich anfange zu arbeiten gegen neun oder zehn Uhr, mache ich im Haushalt alles klar Schiff.“ Sie wischt den Boden, kümmert sich um Geburtstagsgeschenke oder dekoriert die Wohnung.

Danach beginnt sie mit ihrer Arbeit als Selbstständige: Die 27-Jährige ist freiberufliche Fotografin, arbeitet in einem Brautmodengeschäft und zeigt ihren Alltag als Mutter unter dem Namen „chaoslift“ auf Instagram. Nachmittags holt sie die Tochter von der Tagesmutter ab und verbringt Zeit mit ihr, bis Steve nach Hause kommt und Kinderbetreuung und Haushalt übernimmt. „Ich bin für’s Grobe zuständig, die Ordnung macht meine Frau“, sagt der Maschinenbauer.

Der 34-Jährige passt auf die Tochter auf, kümmert sich um den Müll, den Geschirrspüler, die Reparaturen, die Finanzen und macht die Wäsche. Er geht mit der Tochter im Wald spazieren oder auf den Spielplatz und einkaufen. Wenn er kocht, sitzt sie auf dem Brotkasten und schaut ihm zu. Jasmin arbeitet nachmittags und abends weiter, manchmal bis zwei Uhr nachts. Morgens muss sie um sechs wieder aufstehen. Steve kümmert sich deshalb auch nachts um die Tochter und gibt ihr die Flasche.

Joghurt auf der Wurstpackung

In ihrem Umfeld verstehen es manche Männer nicht, warum Jasmin und Steve sich die Arbeit zu Hause aufteilen wollen. Sie sagen: „Wenn ich den ganzen Tag auf Arbeit bin und meine Frau zu Hause ist, wieso soll ich dann dort noch etwas machen?“ Das versteht Steve nicht. „Ich will auch für die Kleine ein Vorbild sein.“ Es soll für sie normal sein, dass ein Mann den Haushalt macht. „Wichtig ist für mich immer, sie mitzunehmen. Sie sitzt in der Küche dabei, schaut zu, schnippelt ein bisschen mit und hilft gerne. Mich belastet das auch nicht. Sie ist kein Klotz am Bein, sondern eine lustige Unterstützung.“

Doch auch bei ihnen läuft nicht immer alles zu hundert Prozent harmonisch: Manchmal nervt es Jasmin, wenn Steve sich den Bart rasiert, nachdem sie gerade das Waschbecken geputzt hat. Oder er stellt den offenen Joghurt auf die Wurstpackung – und der Joghurt schmeckt nach Wurst.

Jasmins Freundinnen fragen sie oft: „Kann ich mir deinen Mann mal ausleihen?“ Sie ist sich jedoch manchmal unsicher, ob die Arbeit zwischen ihnen gerecht verteilt ist. „Ich frage mich, ob ich zu wenig mache.“ Messen sie die Zeit, die beide in die Arbeit zu Hause investieren? „Nein“, sagt Steve. „Wichtig ist eigentlich, dass man sich nicht gegenseitig vorhält, wer was gemacht hat, sondern am Ende des Tages ist es erledigt. Und dann ist egal, wer wie viel Prozent gegeben hat.“

Die Rollenverteilung haben sie von ihren Eltern nicht genau so vorgelebt bekommen. „Meine Mama hat immer mehr gemacht im Haushalt“, sagt Jasmin. Steve kennt es jedoch von seinem Stiefvater, dass auch der Mann viel im Haushalt übernimmt. „Vielleicht habe ich es mir da abgeschaut, wie man das in einer Beziehung angehen sollte.“

Reden und immer wieder reden

Neben Haushalt und Kinderbetreuung ist es nicht leicht für sie, auch als Paar noch Zeit für sich zu finden. Sie versuchen deshalb, einen Abend pro Woche bewusst Zeit zusammen zu verbringen. Was sie anderen Paaren raten, die unglücklich mit ihrer Aufgabenverteilung sind? Reden. Nicht bei Freunden aufregen, sondern direkt mit dem Partner oder der Partnerin sprechen. Und dankbar sein für das, was der Partner gemacht hat, statt sich über das zu ärgern, was er nicht gemacht hat. Jasmin sagt darüber: „Es hat bei uns auch nur geklappt, weil wir irgendwann gesagt haben: Es muss ein Miteinander sein und kein Gegeneinander. Wir wohnen im gleichen Haushalt, wir führen das gleiche Leben. Und wenn das Leben harmonisch sein soll, dann führen wir das gemeinsam und nicht jeder für sich.“ (sesa)

Dieser Text ist Teil einer Beitragsreihe. Die Volontäre der „Freien Presse“ haben in einem Projektmonat rund um das Thema „Arbeitsteilung in jungen Familien“ recherchiert. Die Familienporträts, Experten-Interviews, eine Datenanalyse, ein Quiz und die Sicht der jungen Reporter auf das Thema sind in Kürze auf der Übersichtsseite zu finden. Die Arbeit der Volontäre könnt Ihr auch auf Instagram und Twitter verfolgen.

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