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„Leser helfen“ in Halsbrücke: Wie die Tafel Freiberg für Romy Carolus zum Rettungsanker wurde

Ein Autounfall hat das Leben von Romy Carolus auf den Kopf gestellt. Hilfe erhielt sie von unerwarteter Seite aus Freiberg. Auch „Freie Presse“-Leser können die Mutter aus Halsbrücke unterstützen.

Halsbrücke/Freiberg.

Ohne sie hätten wir das Haus verloren, sagt Romy Carolus und meint damit Anja Fiedler. Die Leiterin der Tafel Freiberg war es auch, die "Freie Presse" und "Leser helfen" auf ihr Schicksal aufmerksam machte. "Ich bin ihr da sehr dankbar", sagt Romy Carolus über die 50-Jährige, die sie vor ihrem Schicksalsschlag gar nicht kannte. "Ich war vorher gar nicht mit der Tafel in Berührung. Ich war Hauptverdienerin, mein Mann hat gut verdient. Wir waren nie angewiesen darauf",erzählt sie.

Das war vor ihrem Autounfall im Januar 2018 und einer missglückten Operation, die ihr im Nachgang eigentlich die Schmerzen, die eine verrutschte Bandscheibe in ihrer Halswirbelsäule verursachte, nehmen sollte. Das Implantat schaffte keine Linderung, sondern nur mehr Schmerzen, weshalb Romy Carolus starke Medikamente nimmt. Das schränkt sie immer mehr ein, sodass sie in ihrem Alltag inzwischen auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Kein Vergleich zu der sportlichen jungen Frau, die Fahrrad und Inliner fuhr und viel mit ihren Kindern unternahm.

Unfall reißt tiefes Loch in Familienkasse

Nicht nur gesundheitlich war der Unfall für sie eine Katastrophe. Auch finanziell fiel die Familie in ein tiefes Loch, als ihr eine junge Frau, weil sie vom Handy abgelenkt war, von hinten auf das Auto auffuhr. Die Haftpflicht zahlte knapp 1600 Euro für ihren alten Ford Fiesta und die anfänglichen Schmerzen. Weil ihr jetziger Zustand von der Operation herrühre, dann nichts mehr. Für eine Rentenbewilligung brauchte es vier Jahre und viele Gutachten. "Da wir solange um die Rente gekämpft haben, sind alle Ersparnisse weg", erzählt die 40-Jährige.

Anja Fiedler lernte sie in einer Zeit kennen, "da haben wir von der Hand in den Mund gelebt: Ich habe von heute auf morgen kein Geld mehr bekommen, das Krankengeld war ausgelaufen", sagt Romy Carolus. Die Verpflichtungen für das Haus, das sich die Familie 2013 in Halsbrücke gekauft hatte, liefen aber weiter. Im Kühlschrank herrschte Leere. Auch auf Hartz 4 hatte sie keinen Anspruch, dafür hatte ihr Mann zu viel Lohn. Der reichte, um zu leben, aber nicht, um alle laufenden Kosten zu decken. "Wir haben zeitweise nicht gewusst, wie wir den Heizöltank befüllen sollen."

Eine Spielplatzbekanntschaft hilft weiter

Eine extreme Zeit, sagt Romy Carolus, wenn man bedenke, dass sie davor einen Lebensstandard hatten, mit dem sich gut leben ließ. "Wir waren kurz davor, unser Haus zu verlieren, weil alle Kosten trotzdem weiter laufen und es interessiert keinen." Eine interessierte es doch: "Auf einmal stand Anja Fiedler jede Woche vor der Tür und hat uns Kisten mit Lebensmitteln gebracht."

"Wir haben uns auf dem Spielplatz kennengelernt", erinnert sich Anja Fiedler. "Sie mit ihrem Enkelkind und ich mit meinem Enkelkind." Sie kamen ins Gespräch, Anja Fiedler erzählte, dass sie bei der Tafel arbeite. Wenn es so schlecht um sie stehe, könne sie ihr auch etwas anliefern, sagt sie zu Romy Carolus. Die erzählte von ihrem Unfall, dem Haus, das noch längst nicht barrierefrei war, ihren Kindern und dem Enkelkind. "Das ist ihr Auftrieb im Leben", sagt Fiedler:"Als ich die Geschichte damals auf dem Spielplatz gehört habe, ist es mir durch und durch gegangen. Sie tat mir leid, sie hatte so einen Schicksalsschlag und war wirklich standhaft im Leben."

Familie kann ihr Haus mit Lebensmittelspenden halten

Das Treffen schweißte zusammen, Nummern wurden getauscht und eine ganze Weile wöchentlich Lebensmittel angeliefert. "Sie hat uns regelmäßig Lebensmittel, die übrig waren, zur Verfügung gestellt, sonst - da bin ich ehrlich - hätten wir es nicht geschafft", sagt Romy Carolus. "Sie hat uns ohne dass sie uns kannte, so unterstützt, und sogar Weihnachtsgeschenke gebracht, sodass ich meinem Sohn und meinem Enkel etwas schenken kann."

"Da war sie auch wirklich glücklich. Sie hat sich immer bedankt und war ganz lieb", erinnert sich Anja Fiedler. Irgendwann wurde auch die Rente bewilligt. "Da habe ich zu Anja gesagt: ‚Jetzt gibst du es bitte wieder denen, die es mehr benötigen, wir kommen jetzt soweit über die Runden", sagt Romy Carolus. (niem)


Advent bei der Tafel Freiberg

Rund 980 Bedürftige plus deren Familien sind es im Moment, die die Tafel in Freiberg, in der Ausgabestelle Flöha oder mobil versorgt. Darunter sind derzeit wenige Deutsche, sagt Leiterin Anja Fiedler, dafür kommen immer mehr Menschen aus Afghanistan und Syrien zu ihr und ihren Mitarbeitern. Ebenso gebe es Ukrainer, die neu zur Tafel kommen. Die Spendenbereitschaft liege zwar um Weihnachten immer höher, aber von Jahr zu Jahr werde es weniger, was zur Verfügung steht. Auch größere Firmen spendeten nicht mehr so viel, dafür kämen Privatpersonen, die nicht nur Geld, sondern auch Lebensmittel abgeben wollen. "Mir persönlich ist das lieber, dann kann ich es gleich wieder ausgeben", sagt Fiedler. Dabei hilft schon, wer ein paar Packungen Toastbrot, Zucker, Milch oder Mehl bereitstellt. Mit verschiedenen Schulen wie in Brand-Erbisdorf und Halsbrücke packt sie zudem für die Aktion "Kinder helfen Kindern" gebrauchtes und neuwertiges Spielzeug ein, das dann den jüngsten Tafel-Kunden die Weihnachtszeit versüßt. ( niem)

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