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Die Spur führt in den Thüringer Wald

Kam Polizistin Michèle K. den Neonazis in die Quere?

Chemnitz. Als man im ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach vor zwei Wochen die Dienstwaffe der Polizistin Michèle K. entdeckte, war Fritz W. zum ersten Mal seit Jahren überzeugt, dass der Tod seiner Enkelin gesühnt wird. "Dass es so weit gekommen ist, freut uns", sagte der Großvater der 2007 in Heilbronn ermordeten 22-jährigen Polizistin der "Heilbronner Stimme". Die Bilder der mutmaßlichen Bankräuber Uwe Mundlos (38), Uwe Böhnhardt (34) und ihrer Komplizin Beate Zschäpe (36) sagten ihm nichts. "Das kann keine Verbindung zu Michèle sein", urteilte er. Auch dass der Stuttgarter Generalstaatsanwalt den Fall vorschnell für bereits gelöst erklärte, stieß Fritz W. unangenehm auf. Man solle die Ermittler lieber in Ruhe arbeiten lassen, befand der 72-Jährige.

Plötzlich ist alles ganz nah

Inzwischen nahmen die Ermittlungen ihren Lauf. Doch inzwischen ist die optimistische Auskunftsfreude des Großvaters erneut der Wortkargheit gewichen. Äußern mochte er sich gestern auf Anfrage nicht mehr. Möglicher Grund: Die bisherige Ermittlungsarbeit ergab, dass der Mord an seiner Enkelin doch alles andere als ein Zufall gewesen sein kann. Die Spuren führen vom fernen Heilbronn zurück in den Heimatort der ermordeten Polizistin, in dem die Familie nach wie vor lebt: die im Thüringer Wald gelegene 1900-Seelen-Gemeinde Oberweißbach. Plötzlich ist alles ganz nah.

Trotz der Arbeit im fernen Baden-Württemberg blieb Michèle K. ihrer Heimat verbunden, kehrte öfter zurück. Dabei wohnte sie zeitweise in nächster Nähe einer Gaststätte, in der 2006, ein Jahr vor ihrer Ermordung, eine Veranstaltung des "Nationalen und Sozialen Aktionsbündnisses Westthüringen" stattfand. Im Internet präsentierte sich der fragliche Gasthof "Zur Bergbahn" damals unter neuer Regie. Laut Impressum lag die Präsentation beim Jenaer Webdesigner Ralf W., seinerzeit Vize-Landeschef der NPD in Thüringen. Genau jener Ralf W. hatte vor dem Verschwinden des 1998 in Jena ab- und jetzt in Zwickau aufgetauchten Terror-Trios zu dessen engstem Kreis gehört. Wie die drei mutmaßlichen Terroristen war er Aktivist des Kameradschaftsnetzwerkes "Thüringer Heimatschutz" gewesen, wie sie hatte er der sechsköpfigen Clique der "Kameradschaft Jena" angehört. Aus der stammte auch der in Niedersachsen festgenommene Verdächtige Holger G.


Die nächste Generation

Bisher ging man davon aus, dass zwischen der ermordeten Polizistin und den drei mutmaßlichen Terroristen keine Verbindung bestanden haben konnte, weder räumlich noch vom Alter her. Zumindest die räumliche Nähe zu alten Kameraden des Trios liegt inzwischen auf der Hand. Darüber hinaus knüpfte Ralf W. seit dem Abtauchen seiner Freunde auch neue Bande, unter anderem zur heranwachsenden nächsten Generation von Neonazis. Zu Thomas G. aus Altenburg etwa, mit dem zusammen Ralf W. musikalische Festivals auf die Beine stellte. Thomas G. stieg zeitweise zu einem der führenden Köpfe der Thüringer Szene auf und strukturierte die Kameradschaftsbewegung zum "Freien Netz" um, in dem sich sogenannte "Autonome Nationalisten" tummelten. Diese Bewegung nannte sich nicht nur autonom. Sie betrieb auch eine Art Verwirrspiel. Bei Aufmärschen trugen diese Neonazis Kleidung und Flaggen, die bis auf invertierte Farbcodes absolut identisch mit denen ihrer politischen Gegner von links waren. Eine solche Bewegung hob Thomas G. auch in Zwickau aus der Taufe, indem er den jungen Neonazi Daniel P. aus seinem Aktionskreis in Meuselwitz als Wortführer dorthin schickte und eine Kameradschafts-WG gründen ließ.

Doch auch in den Saalfelder Raum unweit des Thüringer Waldes pflegte Thomas G. Kontakte - enge Kontakte. Er war mit Marlen P. liiert, die als Chef-Ideologin des sogenannten Thüringer Mädelrings galt, der einzigen rein weiblichen Neonazi-Organisation in Thüringen. Thomas G.s Bruder kam zugleich einem weiteren aus Saalfeld stammenden "Mädel" aus dem Ring näher: Mareike B., genannt "Rieke". Diese auf den ersten Blick nicht als stramme Nationalistinnen erkennbaren Frauen stammten aus dem regionalen Umfeld der Polizistin Michèle K. Außerdem befanden sie sich - anders als das Zwickauer Terror-Trio der ersten Generation - im exakt gleichen Alter. Dass die junge Polizistin ihnen bereits vor ihrer Berufswahl oder danach in die Quere gekommen sein kann, halten Ermittler für nicht ausgeschlossen. Auf die Frage, ob sie Michèle K. persönlich gekannt habe, antwortete Marlen P. gestern ausweichend: "Kein Kommentar."

Zumindest einem der drei aus dem Zwickauer Terror-Trio könnte die Polizistin sogar direkt über den Weg gelaufen sein. Der Jenaer Professoren-Sohn Uwe Mundlos hatte sich 1995, also drei Jahre vor dem Untertauchen seines Trios, am staatlichen Kolleg in Ilmenau eingeschrieben, um sein Abitur nachzuholen. Ilmenau liegt kaum 30 Kilometer entfernt von Oberweißbach. Ob der Jenaer Neonazi schon zu der Zeit Kontakte in den Thüringer Wald knüpfte, ist unklar. Doch soll Uwe Mundlos nach seinem Verschwinden in den Untergrund dort aufgetaucht sein, konkret in Oberweißbach. Im Sommer 2005, zu dem Zeitpunkt bereits seit sieben Jahren im Untergrund, soll Mundlos dort mehrfach im Kreis einer Gruppe Rechtsextremer gesehen worden sein, berichtet die "Super-Illu". "Ich halte es für möglich, dass die junge Frau in irgendeiner Form mit den Leuten in Kontakt gekommen ist und dabei Kenntnis von Dingen erlangte, durch die sie wegen ihres Berufs zu einem Sicherheitsrisiko wurde", sagt eine Kennerin der Thüringer Szene. Die Soziologin arbeitet seit 20 Jahren mit deren Aussteigern.

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11 Kommentare

Die Diskussion wurde geschlossen.

  • 0
    2
    gelöschter Nutzer
    22.11.2011

    Ja! Alles ist heuchlerische Lüge und willkürlicher Betrug!
    Und die Ursache ist der vom Staat erlaubte und lizenzierte Verkauf der Gerechtigkeit. Private Rechtsanwälte verteidigen gerne, mit besonderer Begeisterung und immer erfolgreich Mörder, Diebe, Betrüger, Neo-Nazis. Und Nicht-schuldige gelangen nach der Gerichtssitzung ohne Verteidigung und ohne Vorschlag von einem staatlichen ins Gefängnis. Und diese Rechtsanwälte haben keine private Beziehungen mit Richtern - enge und produktive Zusammenarbeit ist ausschließlich auf korporativer Ethik begründet. Hühner lachen, aber glauben. Sehr religiöse Hühner.
    Ich bin der Zeuge. Mit krimineller Verantwortung für falsche Aussagen informiert und einverstanden.