Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen

Neuer Ökosprit kommt an Tankstellen: Was Autofahrer jetzt wissen sollten

Schon gehört?
Sie können sich Ihre Nachrichten jetzt auch vorlesen lassen. Klicken Sie dazu einfach auf das Play-Symbol in einem beliebigen Artikel oder fügen Sie den Beitrag über das Plus-Symbol Ihrer persönlichen Wiedergabeliste hinzu und hören Sie ihn später an.
Artikel anhören:

Ab Mitte April sollen zwei neue Kraftstoffe an die Zapfsäulen kommen: Diesel B10 und HVO 100. Die „Freie Presse“ verrät, woraus sie bestehen, wie teuer sie sind - und was sie leisten können. Doch Vorsicht: Es gibt bei beiden noch einen Haken.

Chemnitz.

Der Schadstoffausstoß im Straßenverkehr muss deutlich reduziert werden, um die Erderwärmung zu stoppen - und zwar nicht nur durch den Umstieg auf Elektroautos, sondern auch durch neue Kraftstoffe für die zig Millionen Autos mit Verbrennungsmotor, die noch lange unterwegs sein werden. Deswegen arbeiten Forschung und Industrie seit vielen Jahren mit Hochdruck daran, CO₂-reduzierte oder sogar CO₂-neutrale Kraftstoffe herauszubringen. Ab Mitte April sollen nun zwei neue Ökosprit-Sorten an deutschen Tankstellen getankt werden dürfen: Diesel B10 und HVO 100, auch „paraffinischer Diesel“ genannt. Der Bundesrat muss dem nur noch in seiner Sitzung am 22. März zustimmen.

Das ist HVO 100

HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oils“, also „mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle“. Die Zahl 100 bezieht sich auf den hundertprozentigen Reinheitsgrad. Zur Herstellung dieses Ökosprits werden Altspeiseöle oder Fettreste wie zum Beispiel altes Frittenfett benötigt, die mit Wasserstoff und Energie zu flüssigem Kraftstoff verarbeitet werden. An der Zapfsäule soll der HVO 100 aber als „XTL“ verkauft werden. Das Kürzel XTL steht für „X to Liquid“. Das bedeutet: Ein beliebiges Ausgangsmaterial „X“ wird „to Liquid“, also in einen flüssigen Energieträger umgewandelt. Das „X“ ist ein Platzhalter für die verschiedenen Rohstoffe, aus denen der neue Kraftstoff gewonnen werden kann.

Bis zu 90 Pozent weniger CO₂-Ausstoß

Der HVO-Sprit ist fast klimaneutral. Laut ADAC können damit rund 90 Prozent CO₂ gegenüber herkömmlichem Diesel-Kraftstoff eingespart werden. „Weil das bei der Verbrennung im Motor erzeugte CO₂ bei der Kraftstoff-Herstellung der Atmosphäre über das Wachstum von Pflanzen entzogen wurde, erhöht sich in der Bilanz die CO₂-Belastung der Atmosphäre nicht“, erklärt ADAC-Experte Michael Gebhardt. „Ein ADAC-Test hat ergeben, dass freigegebene Diesel-Fahrzeuge mit HVO alle gesetzlichen Abgas-Grenzwerte einhalten oder sogar unterschreiten.“

Deutschland hinkt hinterher

Deutschland hinkt beim paraffinischen Diesel übrigens anderen europäischen Ländern hinterher. Vor allem in Skandinavien, aber auch in den Niederlanden („Blauwe Diesel“), Italien (bei Eni) und Österreich sind Tankstellen, die diesen Kraftstoff anbieten, schon weit verbreitet: 2250 Stationen bieten ihn laut ADAC schon in Reinform (100 Prozent) an, über 11.000 zumindest in Beimischungen. Der Mehrpreis gegenüber Mineralöldiesel beträgt in diesen Ländern für die Reinform-Variante etwa 5 bis 20 Cent.

An Pilottankstelle HVO etwa 20 Cent teurer

In Deutschland gibt es diesen Kraftstoff bislang laut ADAC nur an einer Pilottankstelle in Mannheim. Dort koste er aktuell etwa 20 Cent mehr als herkömmlicher Diesel, sagt Gebhardt. Der ADAC-Experte sieht da aber bei einer effizienteren Produktion noch viel Spielraum für eine Preissenkung. „HVO 100 darf nicht mehr kosten als herkömmlicher Diesel, sollte sogar noch günstiger sein“, fordert der Automobilclub.

Flächendeckende Einführung noch fraglich

Ob der neue Kraftstoff flächendeckend zu haben sein wird, ist noch offen. „Das wird der Markt über die Nachfrage regeln“, sagt ADAC-Experte Gebhardt. „Angaben dazu von den Kraftstoffherstellern oder den Tankstellen-Betreibern gibt es bislang nicht. Wir hoffen aber, dass HV0 100 überall angeboten werden wird, weil dieser Kraftstoff das größte CO₂-Einsparpotenzial hat.“

Bei B10 wird nur der Bio-Diesel-Anteil erhöht

Bei der zweiten neuen Alternative ist sich Gebhardt indes sicher, dass sie sich durchsetzen wird: Diesel B10. Denn Diesel B7 ist vielen Autofahren ja schon lange bekannt. Bei der B7-Variante werden maximal sieben Prozent Bio-Diesel beigemischt, bei B10 werden es dann maximal zehn Prozent sein. Dabei stammt die Beimischung wie schon vorher aus pflanzlichen und tierischen Fetten, die in einem chemischen Prozess mit Alkohol in Kraftstoff umgewandelt werden.

Noch nicht alle Hersteller erlauben den neuen Öko-Sprit

Bei beiden neuen Alternativen gibt es aber einen Haken: Sie erfüllen die Norm für herkömmlichen Diesel (DIN EN 590) nicht, sondern fallen unter DIN EN 15940. Das heißt: Eventuell verträgt der Wagen die Öko-Sorten nicht. Der ADAC rät deshalb zur Obacht. „Egal ob Diesel B10 oder XTL-Kraftstoff: Um eine der beiden neuen Spritsorten tanken zu können, sind modellspezifische Freigaben der Hersteller notwendig.“ Den Autofahrern empfiehlt der Club, den neuen Sprit nur zu tanken, wenn der Autohersteller das für das jeweilige Modell auch erlaubt hat. Sonst drohen Schäden am Fahrzeug, die teuer werden könnten - und der Verlust der Hersteller-Garantie. „Im Zweifel also lieber B7 tanken – denn das müssen Tankstellen, die B10 verkaufen, immer auch parallel anbieten.“

Bisherige Tests offenbar sehr vielversprechend

Die „Freie Presse“ weiß aber aus Flottenversuchen und Langzeittests: Bislang gibt es mit beiden neuen Kraftstoffen offenbar keine Probleme. „Ohne eigene Tests geben die Hersteller aber für die neuen Ökosprit-Sorten keinen Freifahrtschein“, sagt ADAC-Experte Gebhardt. Der ADAC empfiehlt deshalb, in der Bedienungsanleitung oder innen auf der Tankklappe nachzuschauen, ob das Auto XTL- oder B10-Diesel verträgt. Im Zweifel sollten sich Autofahrer am besten an ihren Händler oder Hersteller ihres Wagens wenden.

Nur BMW erteilt bislang eine komplette Freigabe

„Aktuell liegen Freigaben für XTL nur für wenige Modelle der Marken Audi, Citroën/Peugeot/Opel, Nissan, Renault/Dacia, Seat/Cupra, Škoda, Toyota, Volvo und VW vor“, sagt Gebhardt. Vorbildlich sei dagegen BMW: Die Bayern hätten bereits „alle Dieselmodelle, sogar ältere Bestandsfahrzeuge, für den Betrieb mit Kraftstoffen nach der EN-15940-Norm freigegeben. Jetzt müssen auch die anderen Hersteller möglichst schnell nachziehen“, fordert der ADAC. (juerg)

Icon zum AppStore
Sie lesen gerade auf die zweitbeste Art!
  • Mehr Lesekomfort auch für unterwegs
  • E-Paper und News in einer App
  • Push-Nachrichten über den Tag hinweg
Nein Danke. Weiter in dieser Ansicht.