Viele Sachsenring-Werker hatten Wut im Bauch. Aber der 30. April 1991 war nicht das Ende des traditionsreichen Automobilbaus an der Mulde.
Uli Hölig ist ein großer, resoluter Kerl. Und vielleicht war der Tag, an dem der Sachsenring-Werker vor lauter Wut die Stahltür seines Spindes zudrosch, der in Wahrheit letzte Tag der DDR. Rumms! Der laute Knall der Schranktür als eine Art Schlussstrich unter eine Zeit, die nun endgültig zu Ende war und nie wieder kommen würde.
Natürlich ist die These etwas gewagt. Aber so weit hergeholt ist sie auch wieder nicht. Denn der Tag, an dem Uli Hölig gefrustet in seiner Umkleidekabine im Keller von Werk 3 stand, war der Tag, an dem in Zwickau der letzte Trabi vom Band rollte. Es geht um den 30. April des Jahres 1991, die deutsche Wiedervereinigung lag zu diesem Zeitpunkt immerhin schon über ein halbes Jahr zurück. Und weil kaum etwas zwischen Kap Arkona und Fichtelberg so sehr den Alltag der Menschen symbolisierte und für das öffentliche Bild im Arbeiter-und-Bauern-Staat stand wie der Trabant, ging an diesem Tag vielleicht so etwas wie der letzte Rest der DDR den Bach hinunter. Vielleicht kann man es so sehen.
Uli Hölig, heute 60, hat diesen historischen Moment im Frühjahr auf den Tag genau vor genau 30 Jahren hautnah miterlebt. Aber nicht wie ein Zuschauer, der ein großes Fußballspiel bis heute nicht verdaut hat, weil seine Mannschaft von den Gegnern deklassiert worden ist. Hölig stand als einer der Hauptakteure gewissermaßen direkt mit auf dem Platz, als das Finale über die Bühne ging. In der Endmontage liefen die letzten Karossen über das Band - und dort hatte Hölig an diesem Tag seinen Arbeitsplatz. Am Ende seiner Zeit brachte es das Sachsenring-Werk auf genau 3.096.099 produzierte Trabis. Es soll Leute geben, die jahrzehntelang im Werk gearbeitet haben und deren Herz immer noch so sehr an Sachsenring hängt, dass sie die Zahl problemlos nachts im Bett herunterbeten könnten. Zu denen zählt Hölig nicht. Aber auch ihn schmerzte das Ende. "Ich wollte die DDR nicht zurück, ausgeschlossen. Aber das dann Schluss war bei uns im Werk, das war schon großer Mist. Das hat wehgetan", sagt er.
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