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Sachsens Unternehmer des Jahres 2024: Teilauto fährt aufs Siegerpodest

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Mit einem Skoda Favorit hat alles vor 30 Jahren begonnen. Heute ist Teilauto das größte mitteldeutsche Carsharing-Unternehmen. Eine Erfolgsgeschichte, die auch die Jury des Wettbewerbs überzeugt hat.

Leipzig.

Mobil sein, ohne eigenes Auto – mit Teilauto geht das, sagt Michael Creutzer. Besonderen Wert legt der 55-jährige Chef des größten ostdeutschen Carsharing-Unternehmens darauf, dass die Flotte aus sehr sparsamen Autos besteht. „In Limbach-Oberfrohna, am gerade erst eröffneten neuen Standort, ist die Flotte sogar zu 50 Prozent elektrifiziert“, sagt Patrick Schöne, wie Creutzer geschäftsführender Gesellschafter. Der 48-Jährige schiebt belustigt hinterher. „Wir sind mit zwei Autos gestartet, eines davon ist ein E-Mobil.“

Dass ihnen der Job Spaß macht, merkt man den beiden Teilauto-Chefs an. Und auch dass er ihnen noch nicht über den Kopf gestiegen ist. Dabei sind die Leipziger mit Limbach-Oberfrohna jetzt in 28 Städten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vertreten. Teilauto – das sind heute 37 Beschäftigte, 1800 Fahrzeuge an 800 Standorten, davon 18 Prozent E-Autos, 77.000 Nutzer.

Es ist eine der Erfolgsgeschichten ostdeutscher Macher der letzten Jahrzehnte. Und nun stehen die Leipziger ganz oben auf dem Podest: als Beste von rund 100 sächsischen Unternehmern, die sich 2024 um die Siegertrophäe „Die Träumende“ beworben hatten. „Mit langem Atem und stetig wachsenden Unternehmenszahlen haben sie es in diesem Jahr geschafft, die Jury von sich und ihrer Zukunftsvision zu überzeugen“, heißt es in der Begründung.

Alles begann vor drei Jahrzehnten in Halle

Die Geburtsstunde von Teilauto liegt über 30 Jahre zurück. Angefangen hat alles in Halle, praktisch in einer Garage an der Saale hellem Strande.

Ein kleines Häuflein von knapp zwei Dutzend Interessierten schloss sich im Verein zusammen. Im Mai 1993 kam das erste zu teilende Objekt – ein weinroter Skoda Favorit. Reservierungen für den flotten Flitzer mussten auf einem Anrufbeantworter hinterlassen werden, erinnert sich der Hallenser Achim Haufe, der erste ehrenamtliche Autochef im Verein. „Ich hatte einfach nie Lust, mich um ein eigenes Auto mit all dem Versicherungskram, notwendigen Werkstattbesuchen und laufenden Kosten zu kümmern.“ Das war einer der Beweggründe, sich mit anderen Nutzern Autos zu teilen.

Der Fahrzeugschlüssel für den Skoda steckte in der Nähe einer Kirche in einem eingemauerten Rohrtresor, zu dem alle Mitglieder einen Schlüssel hatten. In einem Fahrtenbuch notierten sie die gefahrenen Kilometer. In der Anfangszeit war eine Einlage von 500 D-Mark pro Kopf nötig. Heute ist je nach Tarif eine Startgebühr von 25 Euro fällig, dazu eine Kaution von 100 Euro, die man bei Austritt zurückbekommt. Ansonsten wird nach gebuchter Zeit und gefahrenen Kilometern abgerechnet. Die Höhe von Zeit- und Kilometerpreis hängen von der Fahrzeugklasse und dem gewählten Tarif ab.

2000 expandierte Teilauto nach Leipzig und Erfurt. Da war der Verein schon eine GmbH. Acht Autos aus Halle wurden in die beiden Städte verlegt. Wobei sich das Geschäft in Leipzig – erstes Auto war eine Mercedes-A-Klasse – besonders schnell entwickelte.

Zu Beginn gab es noch eine Besonderheit, berichtet Michael Creutzer. Nutzer durfte in den ersten Jahren nur sein, wer kein eigenes Auto hatte. Creutzer – seit 1999 an Bord und der erste festangestellte Mitarbeiter der GmbH – hat veranlasst, dass das aus den Verträgen gestrichen wird.

Mit der Klausel wollte man den Anspruch untermauern, besonders nachhaltig zu sein. „Zu einer lebenswerten Stadt gehört auch eine nachhaltige Infrastruktur und Mobilität“, so Creutzer. Er verweist auf Studien, wonach ein Carsharing-Auto bis zu 20 private Pkw ersetzt, was dabei hilft, den Straßenraum zu entlasten. „Unter 80 Prozent unserer Nutzer haben kein eigenes Auto – und das auch ohne Klausel.“

Teilauto helfe beim Umweltschutz und der Verkehrswende. Zum Kundenstamm gehören längst auch Wohnungsgenossenschaften, Stadtverwaltungen, Vereine und Initiativen. Es gebe gemeinsame Tarifangebote und Kooperationen mit ÖPNV-Unternehmen in ganz Mitteldeutschland. Creutzer: „So fördern wir einen umweltfreundlichen Mobilitätsmix.“

Das Unternehmen wächst ständig: 15 Prozent mehr Kunden und zehn Prozent mehr Fahrzeuge allein im letzten Jahr. Davon träumen andere. „Und das ohne Marketing und ohne eine Wachstumsstrategie zu verfolgen – ehrlich“, versucht Michael Creutzer zu erklären. „Haben Sie schon mal irgendwo eine Werbung von uns gesehen? Unsere Nutzer sind unsere Werbeträger.“ Teilauto wachse allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Und das ausschließlich in den drei mitteldeutschen Ländern. Das schreibt der Gesellschaftervertrag so vor. Wobei Dresden sich mit 600 Fahrzeugen auf dem Niveau von Leipzig befindet und anschickt der Messestadt den Rang des größten Standortes abzulaufen. Seit 2012 sind in Chemnitz 50 Fahrzeuge unterwegs.

Kooperationen mit Unternehmen bis nach Hamburg

„Wir haben auch tolle Angebote aus Bayern, Hessen oder Brandenburg. Doch denen haben wir allen abgesagt“, so Schöne. Was nicht heißt, dass man als Teilauto-Mitglied nicht auch in anderen Bundesländern Fahrzeuge buchen kann.

Einen deutlichen Schub habe das Unternehmen durch die Kooperation mit Flinkster gemacht. Umso mehr Kritik hagelte es von Nutzern, als man sich von der Buchungsplattform der Deutschen Bahn verabschiedete und zu einer neuen wechselte. „Das IT-System von Flinkster passte nicht mehr zu uns, war nicht zeitgemäß“, so Creutzer. Geschadet habe der Schritt nicht. Im Gegenteil. Teilauto habe Partner bis hoch nach Hamburg. Der Geschäftsführer zeigt auf eine Karte in der Teilauto-App seines Handys. Überall Standorte, an denen die Mitglieder auf insgesamt 16.000 Autos zugreifen können. Dank dieses Netzwerkes werde Carsharing immer interessanter.

Die meisten Nutzer in Mitteldeutschland finden sich mit etwa 54.000 in Sachsen, gefolgt von Thüringen (8500) und Sachsen-Anhalt (5700). Der Umsatz hat sich in den vergangenen fünf Jahren auf 26,5 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Obwohl das Unternehmen seit mehreren Jahren schon die Tarife stabil hält, erwirtschaftet man Gewinn.

„Naja, arbeiten müssen wir noch an der Auslastung der Fahrzeuge“, sagt Geschäftsführer Schöne. Die liege im Schnitt bei 40 Prozent. Wesentlich besser sieht es mit 80 bis 90 Prozent in den Sommerferien aus. Dass dann an einigen Tagen, so Creutzer, insbesondere in den großen Städten kein Auto verfügbar sei, stimme nicht alle Nutzer froh.

Stolz ist man auf das Klima im Unternehmen. „Bei Teilauto kann man gut arbeiten“, sagt Geschäftsführer Schöne. „Sicher kann man anderswo mehr verdienen, aber wir bezahlen fair. Wer will, kann in Teilzeit arbeiten.“ Statt Fluktuation könne man sich vor neuen Bewerbern nicht retten.

2019 hat das Unternehmen als erstes in Mitteldeutschland, wie Creutzer sagt, einen Gemeinwohlbericht erstellt. Die Gemeinwohl-Ökonomie baue auf den Werten Menschenwürde, ökologische Verantwortung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Mitentscheidung und Transparenz auf, erklärt der gebürtige Leipziger.

Teilauto soll eine Genossenschaft werden

Dabei soll es nicht bleiben. Die Gesellschafter von Teilauto – Creutzer und Schöne halten zusammen 35 Prozent der Anteile, der Rest liegt bei ehemaligen Mitarbeitern – verfolgen die Umwandlung von einer GmbH in eine Genossenschaft. „Sozusagen back to the roots – zurück zu den Wurzeln. „Abgesehen von einer Schweizer Carsharing-Firma gebe es in der Praxis kaum Beispiele dafür, wie eine gut laufende GmbH in eine Genossenschaft umgewandelt wird. Hier werde man wie so oft Pionierarbeit leisten.

Mit diesem Schritt verlagere man die Verantwortung zurück auf viele Schultern. Creutzer und Schöne halten das für zeitgemäß. Und obwohl die beiden wirken, als wäre die Studentenzeit noch gar nicht so lange her, denken sie schon an eine Nachfolgeregelung. Ob geteilt wie die Autos – dies wird sich finden.

Der Wirtschaftspreis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative der „Sächsischen Zeitung“, der „Freien Presse“, der „Leipziger Volkszeitung“ und des MDR sowie von Volkswagen Sachsen, der Schneider + Partner Beratergruppe, der LBBW, der Gesundheitskasse AOK Plus und dem Partnernetzwerk „So geht sächsisch“. (lvz)

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