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"Freie Presse" Entdeckertour: Schloss Wolkenburg und eine geheimnisvolle Bibliothek

Die "Freie Presse" öffnet wieder Türen zu faszinierenden Orten, die sonst für die Öffentlichkeit geschlossen sind. Der erste Teil der Entdeckertour führt am 9. Juli auf Schloss Wolkenburg - in Privaträume einer gräflichen Familie, mit der in Sachsen die industrielle Revolution begann.

Wolkenburg.

Der ovale Raum wirkt im ersten Moment wie ein Palast aus Tausendundeiner Nacht: zwei Geschosse unter einer Kuppel, hölzerne Säulen in Marmoroptik, Bücherregale, verborgen hinter filigranen Gittern. Um 1760 wurde hier auf Schloss Wolkenburg erstmals in Sachsen ein Raum mit neugotischen Elementen ausgestattet. In der DDR war die einstige Bibliothek der Grafen von Einsiedel dann eine Bodenkammer, zugestellt mit Hausrat. Mitten durch Raum und Kuppel führte ein Schornstein. Nach der Wende musste tonnenweise Schutt herausgeräumt werden.

Die Bibliothek auf Schloss Wolkenburg, geschaffen von Detlev Carl Graf von Einsiedel und noch weitgehend im Originalzustand erhalten, war jahrzehntelang ein vergessener Ort. Noch heute hat er etwas Geheimnisvolles. Er liegt versteckt, ist gewöhnlich unzugänglich. Am kommenden Sonntag, dem 9. Juli, zur Entdeckertour der "Freien Presse", wird er für Besucher geöffnet.

Bis zu 3000 Bände umfasste die Einsiedelsche Bibliothek Anfang des 19. Jahrhunderts

Annett Groh kennt in dem Schatzkästchen jeden Winkel. Die Mitarbeiterin des Schlossmuseums schickt den Gast die Wendeltreppe hinauf. Die Leute, sagt sie, sollen bei ihrem Besuch vorangehen, "sich wie Entdecker fühlen". Man betritt den imposanten Raum durch eine der gewölbten Gittertüren. Wird sie geschlossen, findet man den gut getarnten Ausgang kaum wieder. Von außen ist die Bibliothek heute überhaupt nicht mehr zu sehen. Durch Umbauten verschwand ihre Kuppel unter einem Spitzdach.

Schloss Wolkenburg, gelegen auf einem Felsen und umflossen von der Zwickauer Mulde, entstand Ende des 12. Jahrhunderts und war jahrhundertelang der Sitz der Adelsfamilie von Einsiedel. Ihr berühmtester Spross war Detlev Carl Graf von Einsiedel (1737-1810), ein sächsischer Konferenzminister und Unternehmensgründer. Mit ihm, so kann man sagen, begann in Sachsen die industrielle Revolution.

Bis zu 3000 Bände umfasste die Einsiedelsche Bibliothek Anfang des 19. Jahrhunderts. Es sollen Werke auf Deutsch, Französisch, Latein, Italienisch und Englisch gewesen sein - aus verschiedensten Wissenschaften und schöner Literatur. Mit Ankunft der Roten Armee gingen 1945 die meisten Bücher verloren, es gibt das Gerücht einer Bücherverbrennung im Schlosshof. Annett Groh öffnet einen Bücherschrank. Heute stehen in einem der Regale wieder Band an Band, historische, teils in Leder gefasste Schriften. Freunde des Hauses überließen sie dem Museum, damit die Bibliothek wieder ein kleines Stück auflebt. Zwischen den Regalen führen Türen mit Glasfenstern in kleine Räume, zum Teil sind es nur Nischen. Hier konnten sich Gäste früher zum Lesen zurückziehen und sogar übernachten.

1795 hatte Detlev Carl von Einsiedel hier die erste "Schafwollmaschinenspinnerei" gegründet

Der Graf habe oft Besucher empfangen - wissbegierige Studenten und Wissenschaftler, aus Leipzig etwa, da sei die Anreise damals beschwerlich gewesen, erzählt Annett Groh. Die einstige private Lesestube des Grafen ist noch heute verschlossen. Man kann nur durchs Fenster in der Tür hineinschauen, erahnen, wie der Hausherr selbst hier einst in dicken Wälzern versank. Auch dieser Raum soll eines Tages behutsam restauriert werden.

Annett Groh öffnet ein Portal, das aus dem Schloss auf ein winziges, ummauertes Rasenstück führt. Von hier aus, dem sogenannten Kanonengarten, kann man hinunter auf die Mulde und auf das Dorf Wolkenburg schauen. In einiger Entfernung ist ein villenartiges Gebäude zu erkennen. 1795 hatte Detlev Carl von Einsiedel hier die erste "Schafwollmaschinenspinnerei" gegründet. Sie gehört zu den drei Gründungsspinnereien der mitteldeutschen Textilindustrie. "Der Graf wollte die Wirtschaft ankurbeln", erzählt Annett Groh. "Er kaufte 300 Merinoschafe in Spanien, die Wolle ließ er hier verspinnen." In der DDR wurden in Wolkenburg nach der von Heinrich Mauersberger erfundenen Nähwirktechnik Malimo Textilien für die ganze Welt produziert.

In den Jahren 1760 bis 1810 ließ Detlev Carl Graf von Einsiedel wesentliche bauliche Veränderungen an Schloss Wolkenburg vornehmen. In dieser Zeit wurde auch der Schlosspark im englischen Stil angelegt und mehrere in Lauchhammer gefertigte Eisenkunstgussplastiken im Park aufgestellt. "Wolkenburg ist der Ort mit den meisten Eisenkunstgüssen aus Lauchhammer", sagt Annett Groh. 1776 hatte Detlev Carl das berühmte Eisenwerk Lauchhammer als Patenkind von der verstorbenen Gründerin geerbt. Als Besitzer der Kunstgießerei ließ der Graf ein Verfahren zur Herstellung gusseiserner Großplastiken entwickeln. Lauchhammer mit seiner noch heute existierenden Kunst- und Glockengießerei liegt nun im Süden Brandenburgs.

Bei der Entdeckertour der "Freien Presse" können Besucher auf Schloss Wolkenburg auch Räume besichtigen, in denen die letzten Schlossbesitzer lebten. Auf der Etage neben dem Museum wohnte bis 1945 Fery Graf von Einsiedel, Sohn der letzten Besitzerin. In der leeren Wohnung blieb ein historischer Kachelofen erhalten, verschiedene Tapeten- und Deckenschichten erzählen von der Geschichte des Hauses. In der Winterwohnung seiner Mutter, Gräfin Katharina, kann man nachempfinden, wo sich das gräfliche Paar einst bettete. In einem Wandschrank hat ihre türkis-weiß-gestreifte Tapete überdauert.

Am Sonntag wird schließlich auch die einstige Schlossküche für Entdecker offen stehen

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Enteignung zogen zunächst Kriegsflüchtlinge ins Schloss Wolkenburg. In der DDR gab es hier etwa 20 Wohnungen mit vielen Mietern, einige von ihnen lebten hier noch nach der Wende. Der einstige Adelssitz diente aber auch vorübergehend als Schulkantine und als Zahnarztpraxis.

Am Sonntag wird schließlich auch die einstige Schlossküche für Entdecker offen stehen. In den Räumen mit mittelalterlicher Gewölbedecke sind noch Reste des originalen Inventars zu finden - ergänzt um eine Ausstellung von historischen Foltergeräten aus einer Schenkung in der 1990er-Jahren. Schloss Wolkenburg ist heute in kommunalem Eigentum. Nach der Wende begann die schrittweise Sanierung, vor allem nach der Eingemeindung von Wolkenburg-Kaufungen nach Limbach-Oberfrohna im Jahr 2000. Im restaurierten Festsaal finden seit 2004 Hochzeiten statt.

Was aber wurde aus der Familie von Einsiedel? Zwei Enkelkinder der letzten Schlossbesitzerin, Dirk-Hildebrand Gert Graf von Einsiedel und Almata Huberta Gräfin von Einsiedel, leben heute hochbetagt in Berlin und Leipzig. Zu bedeutenden Anlässen würden sie auf Schloss Wolkenburg eingeladen, berichtet Annett Groh. Dirk Hildebrand, das geht aus der Ahnentafel im Museum hervor, hat auch Nachkommen. Das Adelsgeschlecht lebt also weiter.

Im Schlossmuseum kann man in der Ahnengalerie heute etliche Porträtgemälde von Mitgliedern der gräflichen Familie sehen. Erst vor wenigen Jahren kehrten sie als Schenkung der Familie Einsiedel ins Schloss zurück.

Das erwartet Sie am 9. Juli zur Entdeckertour auf Schloss Wolkenburg

Es öffnet für Leser der "Freien Presse" verborgene Orte - Alles zum Termin und zur Anreise

Anreise: Schloss Wolkenburg liegt im Ortsteil Wolkenburg-Kaufungen der Stadt Limbach-Oberfrohna. Von Chemnitz aus erreicht man die Burg in einer halben Stunde mit dem Auto über die A 72, Ausfahrt Penig und die B 175. Am Gasthof "Zur Schmiede" zweigt die Straße zum Schloßberg ab. Die Adresse: Am Schloß 3, 09212 Limbach-Oberfrohna.

Was Sie am 9. Juli erleben können: Von 10 bis 17 Uhr stehen vier Räume im Schloss offen, die sonst verschlossen sind: die einstige Winterwohnung der Gräfin, die Wohnung ihres Sohnes, Bibliothek und Kellerräume inklusive Schlossküche. Außerdem der Kanonengarten "Zur schönen Aussicht", der Festsaal, das Museum und die Neue Kirche direkt neben dem Schloss.

Führungen: Jeweils 10 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr und 16.30 Uhr Schlossführung. 11 Uhr und 15 Uhr gibt es Parkführungen mit "Detlev Carl Graf von Einsiedel".

Eintrittspreise: 5 Euro für Erwachsene (Schwerbeschädigte kostenlos). Mit Pressekarte 1 Euro Rabatt. Kinder von 6 bis 12 Jahren zahlen 2,50 Euro, unter 6 Jahre gratis.

Entdeckertour Teil 2: Das Hammerherrenhaus in Carlsfeld

Am Sonntag, dem 22. Juli folgt Teil 2 der "Freie Presse"-Entdeckertour. Dann geht es ins westliche Erzgebirge, in den Eibenstocker Ortsteil Carlsfeld. Von 10 bis 15.30 Uhr öffnet dort das Hammerherrenhaus für Besucher.

Das Hammerherrenhaus wurde um 1680 erbaut. Es war das Wohnhaus des Bergherren Schnorr von Carolsfeld. Seine Hammerwerke führten 1676 zur Gründung des Ortes Carlsfeld. Er stiftete zudem die Trinitatiskirche, die erste Zentralkirche Sachsens. Sie gilt als früheste Vorform der Dresdner Frauenkirche. Das Hammerherrenhaus wurde vom Förderverein "Geschichte Carlsfeld" gekauft und saniert.

Zu entdecken gibt es im Hammerherrenhaus einen Gewölbekeller, eine Stuckdecke mit Putten im Rokokostil im Erdgeschoss und einen großen Saal mit einer kobaltblau ausgemalten Kastendecke. Weitere Extras der Tour: spannende Geschichten rund um die Familie Schnorr und ein Konzert des Bandonionvereins ab 15.30 Uhr in der Kirche.

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