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Holly - die Lil’wat vom Stamm der Schwarzbären

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Die Welt der Indianer bestand für mich bisher aus Gojko Mitic. Die Helden meiner Kindheit hießen "Chingachgook - die große Schlange" oder Häuptling Ulzana der Apachen. In Kanada will ich unbedingt einen richtigen Indianer oder eine echte Indianerfrau treffen. Holly Joseph ist eine. Sie sammelt allerdings keine Beeren im Wald, melkt keine Bergziegen, flechtet auch nicht pausenlos Körbe oder passt ständig auf ihre kleinen Ulzanas auf. Holly arbeitet im Squamish Lil´wat Cultural Centre, was bei uns so viel wie Indianermuseum heißt. Holly ist eines von etwa 5000 Mitgliedern der Squamish- und Lil´wat-Indianerstämme. "Meine Familie kommt vom Stamm der Schwarzbären", erzählt Holly, das neunte von zehn Geschwistern.
 
Sie informiert die Besucher über die Mythen, die Geschichte und die Kultur der "Native people", die Ureinwohner des Landes. Die leben längst nicht mehr wie Jäger und Sammler, jagen höchstens wie der normale Kanadier Schnäppchen im Supermarkt. In diesen Olympiatagen schwanken sie bei der Frage, wie sie sich der Welt präsentieren sollen. Die kritischen meinen, sie müssten mit Protestaktionen auf politische Missstände, ihre Unterdrückung und die Zerstörung der Natur hinweisen. Immer mehr Indianer fordern inzwischen vor Gericht ihre Landrechte ein. Bis 1951 durften sie per Gesetz nicht in ihrer eigenen Sprache kommunizieren, erst seit 1960 besitzen sie ein Wahlrecht. Der Großteil der Ureinwohner aber kooperiert mit den Olympia-Lobbyisten. Sie sehen in der weltgrößten Zurschaustellung die Chance, ihre Lebensbedingungen zu verbessern: "Olympia finde ich großartig. Alle Athleten kommen her und ich hoffe, es bringt uns Arbeitsplätze", sagt Holly. Verschiedene Touristen-Konzepte, zum Beispiel Wildführungen mit Indianern, sind angedacht.
 
Der Arbeitsplatz von Holly entstand vor zwei Jahren, als das Museum im Unterdorf von Whistler eröffnet wurde. Am Eingang weisen zwei riesige, aus Holz gestaltete Squamish- und Lil´wat-Indianer den Weg. Wer nach dem Rundgang wieder heraus kommt, weiß sicher einiges mehr über die Bräuche und hat vieles gesehen: Ein zwölf Meter langes Kanu, das sogar auf dem Ozean seetüchtig ist. Oder eine 2,70 Meter große Nachbildung eines Korbes. Der Sage nach entführte darin die "Wilde Frau des Waldes" arglose Kinder. Oder man erfährt von der mächtigen Rotzeder, die für die Indianer den Baum des Lebens darstellt. Ihr Holz spendet das Material für den Bau von Häusern und Kanus, für die Herstellung von Kleidung, Körben und Werkzeugen. Holly zeigt mir, wie man aus Rinde eine Schnur richtig knotet. "Aus dem Material haben meine Vorfahren Babywindeln gemacht", sagt sie und lacht.
 
Die Zeit vergeht wie im Flug. Ich weiß jetzt einiges mehr über Chingachgook und seine fernen Verwandten. Zum Beispiel, dass für die Squamish-Indianer der Adler eine hohe Wertschätzung besitzt, weil er die Botschaft des Schöpfers überbringt. Ich verabschiede mich von Holly, muss mich nun wieder den Schanzenadlern widmen. Mal sehen, was die so in den nächsten Olympiatagen für Botschaften bereit halten.

Von Thomas Prenzel

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