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Nanjing, ehemalige Hauptstadt

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Chrrrrrrrrrrrrrr... ein Chinese zwei Sitzreihen schräg links vor mir zieht hoch, was sich in den Tiefen seines Rachens festgehängt hat. Durchaus üblich für einen Chinesen, allerdings nur im Freien und nicht in geschlossenen Räumen, oder wie hier, in einem Zug, denn: Wohin damit? Immer wird danach ausgespuckt, aber doch nicht etwa hier auf den Zugboden? Er greift in die Tasche vor sich im Sitz, zieht eine Tüte heraus und spuckt hinein. Ich hatte mich schon gewundert, warum es im Zug Kotztüten gibt, die ich nur aus dem Flugzeug kenne, aber offensichtlich sind es Spucktüten, die hin und wieder auch benutzt werden. 

Mit durchschnittlich 300 Stundenkilometern durchfahren wir mehrere Bahnhöfe und legen so eine Strecke in einer Stunde zurück, die der Entfernung Chemnitz - Frankfurt a. M. entspricht (Luftlinie). Der Zug fährt von Shanghai bis nach Peking, wir steigen aber schon in Nanjing aus und werden dort äußerst freundlich von einer älteren Chinesin empfangen, die uns schon im Bahnhofsgebäude einen Stadtplan von Nanjing verkaufen möchte. Wir greifen zu und kurz nachdem die Verkäuferin das Geld weg gesteckt hat, werfen wir einen Blick darauf und bemerken, dass man uns ebenso einen Plan von irgendeiner Stadt hätte geben können, denn er ist auf Chinesisch. Wir wollen ihn noch zurückgeben, doch die Chinesin lehnt ab, und freut sich, ein gutes Geschäft gemacht zu haben.

Als wir dann in die U-Bahn-Linie in Richtung Stadt-Zentrum einsteigen, merken wir, dass wir uns nicht in Shanghai, sondern in Nanjing befinden, denn anders als gewohnt drängeln die Chinesen nicht ohne Rücksicht auf andere hinein und heraus, sondern gehen verhältnismäßig langsam in die U-Bahn. Meine Schwester und ich werden deshalb erst mal komisch von unten angeschaut, weil wir ganz nach Shanghaier Art in die U-Bahn drängen um einen der wenigen noch freien Sitzplätze zu ergattern. Nachdem wir schon zwei Stationen gefahren waren, begann plötzlich ein kleines Kind auf der gegenüberliegenden Sitzbank zu schreien. Es hörte auch erst mal nicht auf und so begannen die Eltern das Kind zu wickeln. Auch wenn ich schon gesehen hatte, wie kleine Kinder vor dem Supermarkt (von ihren Eltern animiert) einfach auf den Vorplatz pinkeln und manche Kleinkinder auch mit am Hintern offenen Hosen herumlaufen, war ich überrascht, dass es anscheinend auch niemanden stört, wenn ein Kind in der U-Bahn gewickelt wird.


Erstes Ziel unseres Nanjing-Besuchs war eine Anlage, in der früher die Lehren des Konfuzius unterrichtet wurden. Als wir hineingingen, standen wir zuerst vor einer zweiten großen Tür, die verhindert, dass man von der Straße direkt in das Innere der Anlage schauen kann, wenn das Haupttor offen ist. Dahinter sieht man einen kleinen Platz, der links und rechts von je einer Reihe Bäume, dann einem schmalen Streifen Bepflanzung und schließlich von je einer Wand begrenzt wird. Am Ende des großen Platzes befindet sich ein großes Gebäude und ganz vorne und ganz hinten in der linken Wand sind zwei kleine Durchgänge, die zwar unscheinbar wirken, aber in die eigentliche Anlage führen. Kurz nachdem wir den ersten der beiden Durchgänge passiert haben, stehen wir auf einem schmalen Weg durch einen Garten, der anscheinend größer ist, als man es von außen erwartet. In einem Teil wachsen die verschiedensten Pflanzen, unter anderem auch eingetopfte Bonsai-Bäume, und es gibt einige Goldfischteiche. Im zweiten Teil gibt es dann weniger Bepflanzung und dafür viele Gebäude, von denen einige auch begehbar sind und in denen sich Ausstellungsräume befinden. Durch die gesamte Anlage führt eine Art Rundweg, der in kleine Höfe führt und wahrscheinlich einmal an jedem Haus vorbei.

Weil es drückend heiß ist, halten wir immer wieder an und gehen auch in jedes Haus hinein, weil sich darin fast immer mindestens eine mobile Kühlanlage befindet, die eine angenehme Temperatur in den Räumen schafft. Trotzdem müssen wir schon bald die T-Shirts wechseln, weil sie durchgeschwitzt sind und während wir das machen, werden wir von mehreren vorbeilaufenden chinesischen Reisegruppen teilweise beäugt, als wären wir auch Ausstellungsstücke bzw. als hätten sie noch nie einen "Westler" gesehen. Für uns sind die Chinesen natürlich nichts neues, allerdings fällt uns auf, dass einige von Ihnen genauso schwitzen wie wir und das beruhigt doch ein wenig, weil es den Chinesen also anscheinend genauso geht, wie uns und wir dadurch nicht noch zusätzlich auffallen. Innerhalb der Anlage habe ich nicht wirklich gemerkt, dass ich mich immer noch mitten in einer Millionenstadt befinde. Allerdings sieht man es doch an manchen stellen: So ragt immer mal wieder ein Hochhaus über die Bäume heraus und auch aus einem der Häuser hat man einen schönen Blick auf eine "Abrissfläche". Am Ende des Rundgangs kommen wir wieder auf dem Platz vom Anfang heraus, allerdings aus der hinteren Tür, und gehen noch in das große Gebäude, das ein Museum ist, dessen Thema die Geschichte Nanjings, vor allem als Hauptstadt, ist. Leider sind nur sehr wenige Ausstellungstexte auf Englisch und deshalb verstehen wir nur sehr wenig. 

Als wir uns vor dem Gebäude geschafft auf einer Treppe ausruhen, sehe ich, dass in der spärlich bewachsenen Fläche vor uns kleine Porzellanscherben liegen. Eine der Scherben, die ich herausziehe ist ziemlich groß und hat sehr große Ähnlichkeit mit den Ausstellungsstücken im Museum. Dort wurden nämlich auch Porzellanbruchstücke ausgestellt, die ziemlich alt sein sollten. Allerdings vermuten wir nun doch eher, dass die Chinesen, die ja Meister des Kopierens und Fälschens sind, anscheinend auch ihre Ausstellungsstücke fälschen. Wahrscheinlich hatten sie nach dem Zerbrechen einiger Porzellanteller und -schüsseln vergessen, alle Scherben wegzuräumen. 

Dann lassen wir uns von einem Taxi in unser Hotel fahren und verbringen den Rest des Tages in der Umgebung des Hotels und gehen durch Nanjing. Dabei merken wir, dass Nanjing spürbar ruhiger ist als Shanghai. Vielleicht waren wir aber auch in der falschen Straße.

Nachdem wir am nächsten Morgen bei Starbucks gefrühstückt haben, fahren wir mit der U-Bahn zum Nanjing-Massaker-Museum, das an das Morden der Japanischen Eroberer im Jahre 1937 in Nanjing erinnern soll. Diese brachten damals innerhalb von sechs Wochen mehr als 300 000 chinesische Soldaten und Zivilisten um. Wir wollten relativ früh in das Museum kommen, weil wir zum einen nicht wussten, wie lange wir brauchen würden, aber auch um nicht so lange anstehen zu müssen. Allerdings hatten auch einige Chinesen  diesen Gedanken und so sind wir zwar kurz nach Eröffnung da, stehen aber am Ende einer langen Schlange, die nur langsam vorrückt. Umringt von Regenschirmen, die als Sonnenschirme verwendet werden, stehen wir gut eine halbe Stunde in der knallenden Sonne und schwitzen, als würden wir Dauerlauf machen, obwohl wir nur stehen. Als wir dann endlich im Museum sind, können wir die zum Glück "tri-lingualen" Texte (Chinesisch, Japanisch, Englisch) eher schlecht lesen, weil immer wieder Chinesen vor den Tafeln stehen oder daran vorbei laufen. Sie lesen sich die Tafeln nämlich nicht durch, sondern fotografieren sie und stürzen dann weiter. Glücklicherweise ist das Museum mit der Zeit nicht mehr ganz so überlaufen wie zu Beginn und so kann man sich doch noch ganz in Ruhe den Exponaten widmen bzw. kommt überhaupt an die Vitrinen heran.


An sich ist das Museum gut, allerdings macht es doch ein wenig den Anschein, als wollten die Chinesen sich als die einzig Guten und die Japaner als die Bösen darstellen, obwohl es auch in der chinesischen Geschichte ebenso grausame Taten gab. Außerdem kann man sich fragen, was die Chinesen aus dieser Ausstellung mitnehmen, da es nicht den Anschein machte, als würden sie sich mit den Inhalten auseinandersetzen. Aber vielleicht lesen sie sich die abfotografierten Tafeln ja zu Hause durch.

Soviel über die zweite Woche und Nanjing, Zai jian (Tschüss)

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