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Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt
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Es ist schon vorgekommen, dass ich mich innerlich auf die zu erwartenden Diskussionen mit Lesern am Telefon vorbereitet habe, weil das Thema höchst komplex sowie von emotionaler Sprengkraft geprägt war und ich auf jeden Fall sicher gehen wollte, dass ich mitreden kann; dass ich mich auskenne und nicht den Eindruck erwecke, keinen Standpunkt zu haben. Doch mit so viel Aufwand wie heute habe ich das bislang noch nicht gemacht, denn diesmal habe ich richtig Zeit und Mühe investiert, fast wäre ich geneigt, von einer eigens angefertigten Studie zu sprechen. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe elf Frauen aus meinem Bekannten- und Kolleginnenkreis gestern während des Entstehens und heute Morgen nach der Veröffentlichung auf den Seiten 4 und 5 der "Freien Presse" mit der Doppelseite zum Internationalen Frauentrag konfrontiert und die Frage gestellt: "Und, was sagst Du dazu?" (Zur Erklärung: Gezeigt werden die Fotos von 100 Mädchen und Frauen im Alter von einem bis 100 Jahren.)
Dann war es endlich 10 Uhr, ich legte die Panoramaseite neben den Computer und wartete, fest davon überzeugt, jetzt mit vielen Leserinnen und Lesern über diesen "Herzlichen Glückwunsch" zum Frauentag zu sprechen. Zwei Stunden später war ich tatsächlich etwas verstört, angesichts meiner Fehleinschätzung aber um eine wichtige Erfahrung reicher: Nur zwei Leserinnen haben bei mir angerufen; die eine hat sich erklären lassen, wie "Freie Presse" diese Seite gemeint hat, die andere hat wörtlich gesagt: "Was soll der (...), für so was bezahl ich kein Geld", und hat dann aufgelegt, ohne sich überhaupt vorgestellt zu haben.
Jetzt hätte ich natürlich zu mir sagen können, das Leben ist nun mal voller Überraschungen, gehen wir einfach zur Tagesordnung über; obwohl es mich sehr gefreut hätte und ich es mir auch gewünscht hatte, über diese wundervolle Doppelseite zu sprechen; ach ja, das Leben ist nun mal kein Ponyhof. Doch schreibe ich jetzt darüber, weil ich unbedingt noch etwas loswerden möchte. Denn ich habe bei meinen Vorgesprächen mit den elf Frauen eine Beobachtung gemacht. Nun werden diese Bekannten und Kolleginnen vielleicht denken: Was denkt er sich dabei? Doch ihnen sei versichert: Niemand weiß, wen ich alles nach ihrer Meinung gefragt habe.
Also dies ist meine Feststellung: Ausnahmslos alle Befragten haben entweder sofort oder mit dem zweiten Blick die Frau im gleichen Alter gesucht; die Mehrzahl sogar bevor sie erkundet haben, ob sie jemanden von den 100 abgebildeten Frauen kennen. Zweimal habe ich mich getraut zu fragen: "Warum hast Du das gemacht?" Sinngemäß haben beide gleich geantwortet: Frau muss doch vergleichen dürfen, ob frau sich gut gehalten hat. Die Motive der anderen Befragten für diesen Blick zum gleichen Alter kenne ich nicht; und ich werde mich hüten, Vermutungen anzustellen, denn schließlich ... Augenblick mal, es klopft gerade an meiner Tür.
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