Blog "Leser-Obmann": Dampf ablassen schützt vor dem Überkochen

Der gesellschafts- und politikkritische Rundumschlag gehört zu den Themen bei den Gesprächen mit Lesern am Telefon, bei denen nur einer redet; und das bin nicht ich. Aber darauf kommt es auch gar nicht an. Am Anfang haben mich diese Unterhaltungen verwirrt, weil ich immer davon ausgegangen bin, dass die Leser von mir erwarten, dass ich ihnen in irgendeiner Weise helfe. Doch darum geht es ihnen nicht, sie wollen nur reden; das stimmt auch nicht ganz, sie wollen nur Dampf ablassen (im positiven Sinne, bevor etwas überkocht). Heute habe ich mir bei einem solchen Gespräch mal die Mühe gemacht, mitzuschreiben und die Kritikpunkte aufzulisten. Und dies sind die Dinge, über die sich ein Leser aus dem Erzgebirge maßlos aufregen kann:

- eine schlechte Wahlbeteiligung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass in Deutschland etwas gewaltig schief läuft;

- früher ist Gaddafi mit Waffen aus Deutschland versorgt worden, heute schießt er mit diesen auf Soldaten aus mit uns verbündeten Staaten;

- die Kritik an ihrer Arbeitsweise und ihrer Einstellung zu ihren ursprünglichen Aufgaben geht den Abgeordneten des Sächsischen Landtages am (...) vorbei;

- Ex-Finanzminister Eichel kassiert eine monatliche Pension von mehr als 13.000 Euro, und das ist einfach unfassbar;

- dass wir den Bundespräsidenten nicht selbst wählen dürfen ist ein Tabuthema und wird ganz einfach totgeschwiegen;

- im Gegensatz zu allen Beteuerungen von verantwortlichen Stellen hat nach dem Schengen-Abkommen die Grenzkriminalität doch deutlich zugenommen;

- die Polizei nimmt man kaum noch wahr, weil sie offensichtlich gegenüber der Drogenkriminalität kapituliert hat, und die Berichte über entdeckte Hanfplantagen sind wohl ein Beleg genau dafür;

- in Libyen greif die Nato ein, während sie vor Jahren in Georgien einfach nur zugeschaut hat;

- die Türkei hat offensichtlich die viertstärkste Armee auf der Welt, und das ist meiner Meinung nach nicht zu akzeptieren angesichts der politischen Instabilität in der arabischen Welt.

Der Anrufer hat ungefähr fünf Minuten gesprochen, und dies waren seine letzten Worte am Telefon: "Ich bin nur froh, dass ich einen Herzschrittmacher habe."

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