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Mit meinem Latein bin ich noch lange nicht am Ende

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Der Abschluss für mein Großes Latinum (Nachweis über lateinische Sprachkenntnisse) ist wirklich echt lange her; genau sind es 34 Jahre. Doch es gibt Dinge, die jeder Mensch in seiner Kindheit und Jugend bei der Bildung in einem Maße gelehrt (manchmal auch regelrecht eingetrichtert) bekommt, dass er sie Zeit seines Lebens nicht vergisst; bei mir ist das so mit einigen fundamentalen Grundsätzen der lateinischen Grammatik und des Wortschatzes dieser antiken Sprache. Und weil das so ist, habe ich mich heute mit einem Leser, was höchst selten vorkommt, heftig gestritten. Bis zuletzt war er der Meinung, im Recht zu sein.

"Wenn man schon mit lateinischen Zitaten angeben will, dann sollte man sie auf jeden Fall richtig anwenden, alles andere ist doch einfach nur peinlich. Richten Sie das bitte Ihren Kollegen aus", sagte der Anrufer, und ich hörte seiner Stimme an, dass er sich so richtig ärgert über diesen von ihm entdeckten Fehler in der Zeitung. Es ging dem Anrufer um den Artikel "Jubelnde Zuschauer, Schelte vom Richter" heute auf der Seite Zeitgeschehen, in dem über das Urteil im Kachelmann-Prozess berichtet wird. Schließlich nannte der Anrufer mir die falsche Schreibweise: "Das weiß doch jeder, dass das 'in dubio pro regio' heißen muss."

Genau in diesem Moment setzte bei mir dieser Mechanismus "Ich weiß hundertprozentig, dass ich Recht habe" ein; ich verzichtete selbst darauf, schnell im Netz zu kontrollieren, dass ich mich nicht täusche, um mich nicht doch der Gefahr auszuliefern, mich zu blamieren. Die Sache war klar: "Es heißt eindeutig 'in dubio pro reo', Sie täuschen sich leider", sagte ich dem Leser am Telefon. Das wollte der Mann aber so einfach nicht hinnehmen, doch möchte ich auf weitere Zitate aus der Unterhaltung verzichten; das ist besser so.

Nach dem Ende des Gesprächs sind zwei Dinge passiert: Erstens habe ich mich gefragt: Wie kommt dieser Leser zu der Überzeugung, dass die falsche die richtige Schreibweise ist? Also habe ich "In dubio pro regio" mal in die Suchmaschine eingegeben. Und siehe da: Es gibt einen privaten Fernsehkanal, der eine Sendung mit genau diesem Titel ausstrahlt, außerdem eine Reihe von lokaler Initiativen, die sich mit dieser Variante von "in dubio pro reo" für ihre "Region" stark machen. Also: Ein bisschen hatte ich plötzlich doch Verständnis für den Anrufer, weil er sich geirrt hatte.

Zweitens kamen mir dann doch noch Zweifel: Muss es nicht grammatikalisch korrekt "in dubio pro reum" heißen, weil es doch "für den Angeklagten" heißt und es hier doch wohl der vierte Fall ist (Nominativ: reus, Genitiv: rei, Dativ: reo, Akkusativ: reum)? Da packte mich dann doch der Ehrgeiz, mir selbst den Beweis für den Erfolg meiner altsprachlichen Schulbildung zu liefern; und ich habe nachgedacht: Das war doch noch was? Meine Rettung: Es gibt im Lateinischen einen fünften Fall, den Ablativ; die Präposition "pro" verlangt nach diesem Fall, deshalb heißt es "pro reo".

Wenn ich ehrlich bin, ist mir anschließend noch ein lateinischer Satz eingefallen: "Delirant isti Romani." (Das ist ein Zitat, die Quelle aber verrate ich nicht; so viel Respekt muss sein.)

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