Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen

Hören und staunen: Haben Sie mal ein Bett für mich?

Schon gehört?
Sie können sich Ihre Nachrichten jetzt auch vorlesen lassen. Klicken Sie dazu einfach auf das Play-Symbol in einem beliebigen Artikel oder fügen Sie den Beitrag über das Plus-Symbol Ihrer persönlichen Wiedergabeliste hinzu und hören Sie ihn später an.
Artikel anhören:

Manche Gespräche mit Anrufern muss ich wörtlich wiedergeben, weil eine Zusammenfassung oder eine Auswahl von Zitaten die Bedeutung nicht zum Ausdruck bringen kann. Dieser Dialog hat heute um kurz vor elf stattgefunden, am anderen Ende des Telefons war ein offensichtlich noch sehr junge Frau:

"Guten Tag, Freie Presse Chemnitz, Sie sprechen mit dem Leser-Obmann, was kann ich für Sie tun?"

"Mein Name ist (...) und ich würde gerne heute bei Ihnen übernachten."

"Da muss ich Sie leider enttäuschen, in unserem Verlagshaus und auch im Druckzentrum gibt es keine Unterkünfte für Gäste, deshalb kann ich Ihnen auch kein Zimmer anbieten. Wie kommen Sie überhaupt auf diese Idee?"

"Ich will ja gar nicht in Ihrer Firma schlafen, sondern bei Ihnen zu Hause."

"Das verstehe ich jetzt noch weniger, das müssen Sie mir jetzt erklären. Warum sollte ich ..."

"Sie stehen auf meiner Liste."

"Sie haben eine Liste von Männern, bei denen Sie übernachten wollen?"

"Nicht was Sie denken. Nur Förderer und Gleichgesinnte, die uns für eine Nacht ein Dach über dem Kopf geben wollen."

"Ich habe mich aber nie auf eine Liste setzen lassen, jedenfalls nicht, dass ich mich daran erinnern könnte. Und für gewöhnlich gucke ich schon genau hin, wenn ich etwas unterschreibe."

"Das finde ich jetzt aber voll Mist, Sie sind schon der Dritte, den ich anrufe und der gar nicht weiß, dass er auf der Liste steht."

"Vielleicht sagen Sie mir einfach mal, woher Sie diese Liste haben, dann können wir gemeinsam klären, was da irgendwo vermutlich ganz schön schief gelaufen ist."

(An dieser Stelle gab es eine längere Pause, weil die Anruferin schwieg, ich hörte nur eher leises Stöhnen, keins aus Verzweiflung, mehr eins aus Ärger.) Dann sprach sie weiter:

"Ich bin auf einer Pilgerreise und gehe den Jakobsweg in Sachsen. Und da habe ich diese Liste bekommen, und auf der steht Ihr Name."

"Das tut mir wirklich schrecklich leid, aber das muss eine Verwechslung sein."

"Und was soll ich jetzt machen? Na gut, eine Nummer versuche ich noch, dann muss ich mir was anderes überlegen", sagte die Anruferin, verabschiedete sich und legte auf.

Zwei Stunden später, beim Mittagessen, hat sich dann in meinem Kopf die Aufklärung eingefunden, denn ich erinnerte mich plötzlich: Vor einem Jahr habe ich eine Reportage über die Einweihung des ersten Abschnitts des Jakobsweg in Sachsen für die "Freie Presse" geschrieben. Und irgendjemand hat, glaube ich, während der siebenstündigen Wanderung einen Zettel rumgehen lassen, damit man in Verbindung bleiben kann. Darauf habe ich, wenn ich mich recht erinnere, auch meinen Namen geschrieben; vermutlich auch meine Telefonnummer. So wird es gewesen sein: Das war eine Liste.

Weitere Blog-Einträge

Icon zum AppStore
Sie lesen gerade auf die zweitbeste Art!
  • Mehr Lesekomfort auch für unterwegs
  • E-Paper und News in einer App
  • Push-Nachrichten über den Tag hinweg
Nein Danke. Weiter in dieser Ansicht.