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Wie damals: Herr Lehrer, ich weiß was

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Dass Leser sich bei mir über Artikel in der "Freien Presse" beschweren, ist nicht außergewöhnlich; im Gegenteil, denn sich mit Anrufern über den Ärger zu unterhalten, der in ihnen aufgekommen ist, weil etwas in der Zeitung gestanden hat, das ihnen missfällt, ist für mich eigentlich Alltagsgeschäft. Für gewöhnlich bleibe ich beim Zuhören ruhig und gelassen, weil ich weiß, dass es den Lesern besser geht, wenn sie zu Ende geredet haben. Und wenn es dann doch mal passiert, dass ich mich darüber ärgere, weil Leser über einen Artikel ganz schön direkt und mit wenig zurückhaltenden Ausdrücken herziehen, dann aktiviere ich einfach den Mechanismus "Don't worry, be happy" (für diesen Anglizismus will ich mich nicht entschuldigen, weil ich ihn aus Überzeugung gebrauche, und zwar aus diesem Grund: Ich finde den Song von Bobby McFerrin einfach genial und das mit Abstand beste musikalische Mittel gegen schlechte Laune) und schon kann ich den geballten Unmut an mir abprallen lassen. Und nun die Nachricht: Heute konnte ich den Ausbruch meiner Gefühle gerade noch verhindern.

"Ich möchte mich zu einem Artikel äußern, der am 8. April auf der Ratgeberseite gestanden hat", teilte mir ein Leser mit. Vier Monate später? Ich war gespannt. "Da ging es um die Langzeitprognose beim Wetter", erfuhr ich weiter und bekam als weiter Information noch die Überschrift nachgeliefert: "So wird der Sommer". In diesem Moment erinnerte ich mich daran, dass der Artikel damals schon einige Leser veranlasst hatte, mich anzurufen, weil sie mit mir über die Zuverlässigkeit von langfristigen Wettervorhersagen sprechen beziehungsweise mir sagen wollten, was sie von diesen Aussagen des Meteorologen hielten. Manchmal waren die Gespräche konstruktiv, manchmal eher weniger, aber sie machten Sinn, weil es (wie auch immer) um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage ging: Wie zuverlässig sind Wetterprognosen über den nächste Tag hinaus?

Der Leser hat mir die Vorhersage buchstäblich um die Ohren gehauen: "Der Juli startet heiß, wissen sie noch, wie kalt es damals war?" fragte er mich vorwurfsvoll und fuhr ähnlich vernichtend fort: "Spitzenwerte bis 40 Grad im Juli? Wir hatten nicht einmal 30 Grad." Weitere von seinen Beispielen, wie der Wetterfrosch sich getäuscht hatte, möchte ich mir jetzt ersparen, denn ich muss gestehen, weil ich mir längst den Artikel auf den Bildschirm geholt hatte und nachlesen konnte: Der Leser hatte Recht, denn die langfristige Vorhersage war tatsächlich eher daneben. Diese Kritik aber, nachdem der Leser erst mal abgewartet hat, wie das Wetter in diesem Sommer nun wird, bevor er sich beschwert, war es nicht, was mich innerlich auf die Palme gebracht hat. Auch das Wort "Kaffeesatzleserei" habe ich ihm nicht wirklich übel genommen, die Frage aber ebenso wenig beantwortet, ob wir dafür auch noch Geld bezahlen. Es war etwas anderes, es war wirklich nur ein Gefühl, und zuerst habe ich es nur registrieren können, mit der Konsequenz, dass ich dann die Notbremse gezogen habe: "In Ordnung, ich habe alles aufgeschrieben und werde es an die zuständigen Kollegen weiterleiten. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."

Dann habe ich versucht, das in Worte zu fassen, was mich da gerade emotional beschäftigt. Es ist mir nicht gelungen, bis mir dann eine von diesen Szenen wieder eingefallen ist, die wohl jedem Menschen aus der eigenen Kindheit fest ins Gedächtnis gebrannt sind, ohne dass man genau den Grund dafür kennt; es ist eben dieser eine besondere Augenblick. Wie dieser bei mir: Ich sitze im Klassenzimmer (zweite Klasse), als Sabine (auf dem Platz vor mir) plötzlich aufsteht, ihre Hand hebt und dem Lehrer sagt: Der Reinhard hat seine Hausaufgaben nicht gemacht.

Das Mädchen hatte damals Recht; wie der Leser heute mit seinen Hinweisen zum Artikel "So wird der Sommer" am 8. April in der "Freien Presse".

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