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Das Leben ist nun mal kein Ponyhof
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Heute stand eine Kollegin in der Tür meines Büros und fragte mich: "Und, wie läuft's? Was machen die Leser?" Im ersten Moment wollte ich die Gelegenheit nutzen, (ich mag diese Redewendung) aus meinem Herzen keine Mördergrube zu machen, aber dann besann ich mich darauf, dass Gelassenheit zu predigen auch heißt, Gelassenheit zu leben. Also antwortete ich: "Man darf sich nur über nichts wundern, dann ist alles im grünen Bereich." Die Kollegin zögerte nicht einen Moment, mir zu sagen, sie zitierte quasi mich selbst: "Das Leben ist nun mal kein Ponyhof." Dieser Hinweis wurmte mich: "Das weiß ich doch, das macht es aber nicht immer weniger anstrengend", antwortete ich, doch etwas leicht gereizt. Die Antwort von der Frau im Türrahmen stimmte mich aber wieder versöhnlich: "Das sollst Du nicht beherzigen, das sollst Du manchmal den Lesern am Telefon sagen." Ich habe mir die Gespräche in dieser Woche noch einmal durch den Kopf gehen lassen, diese sind ein paar Gespräche, die mir zu diesem Thema eingefallen sind.
Episode 1: "Ich habe mich auf einen Kaugummi gesetzt und nun einen Fleck in der Hose, können Sie mir helfen?", fragte mich ein Anrufer. Mein erster Gedanke: Die Hose in die Waschmaschine, mal sehen, was passiert. Gesagt habe ich: "Ich verbinde Sie mit dem für Fleckenentfernung zuständigen Fachredakteur." Und siehe da, der Kollege im Ressort Ratgeber wusste die Antwort, hat sich nicht einmal wegen der Frage gewundert: Ab ins Gefrierfach mit der Hose.
Episode 2: "Mein Name ist (...), ich wohne in (...) und ich habe mal eine Frage: Lesen Sie die Zeitung, ich meine die Freie Presse?"
Episode 3: "Ich bin für die Wahrheit, und nicht als die Wahrheit, darauf möchte ich großen Wert legen, dass Sie das wissen. Es geht mir nur um die Wahrheit, die reine Wahrheit, und um nichts anderes", sagte mir ein Anrufer, nachdem er sich vorgestellt hatte. "Das ehrt Sie sehr, was kann ich für Sie tun?" fragte ich, und zu diesem Zeitpunkt war ich fest davon war, mit einem weiteren Leser zu sprechen, der mit mir über die Darstellung von historischen Zusammenhängen und der Bewertung von Ereignissen reden wollte, weil er einen der Artikel innerhalb der Serie "Schicksal Mauer" gelesen hat. Dem war aber nicht so: "Es geht mir um den Wolf in unseren Wäldern", sagte der Mann am Telefon und erläuterte mir etwa fünf Minuten lang (ohne Punkt und Komma), wie es sich in Wahrheit verhält mit diesem wilden Tier und den gerade kontrovers diskutierten Versuchen, den Wolf in Teilen der Region wieder anzusiedeln. Zum Schluss hat er tatsächlich gesagt: "So, das war's, das ist die Wahrheit." Nun war ich an der Reihe, darauf zu reagieren. Das fiel mir nicht schwer, ich konnte es mit einer Frage tun: "Sie sind Jäger, nicht wahr?" Der Anrufer war nicht verwirrt, vielmehr stolz: "Das stimmt, das haben Sie wohl gemerkt, nicht wahr?"
Episode 4: "Ich habe mir gestern auf MDR einen Film angeschaut und mich mal wieder maßlos geärgert, dass die Musik im Hintergrund so laut ist, so dass man von den Dialogen kaum etwas versteht. Können Sie mal einen Artikel darüber schreiben? Vielleicht ändert sich dann was, das geht doch, das hält man auf Dauer doch nicht aus", erläuterte mir ein Leser sein Anliegen. Weil ich alles sein darf, nur nich sprachlos, fiel mir wieder mal eine Gegenfrage ein: "War es ein Spiel- oder Fernsehfilm?" Das war meine Rettung, denn ich hatte anschließend die Gelegenheit, dem Anrufer den Unterschied zu erklären, was dazu führte, dass wir bald bei Hollywood und Produktionen aus den USA angelangt waren, was zu dem Ende des Gesprächs den Leser zur Feststellung bewegte: "Die Amerikaner müssen auch immer übertreiben."
Episode 5: "Sie haben doch in Ihrer Kolumne auf der Leserbriefseite über Leser geschrieben, die Sie anrufen, weil Sie ein Problem mit Unfallmeldungen in der Zeitung haben", teilte mir ein Anrufer mit; ich habe seine Feststellung als solche bestätigt. Dann sprach er weiter: "Sie haben aber ein ganz anderes Problem, und ich wundere mich, dass in dieser Sache noch nichts passiert beziehungsweise an die Öffentlichkeit gelangt ist." Meine Konzentration steigerte sich schlagartig (Äußeres Zeichen: aufrechte Haltung), denn diese Eröffnung versprach Spannung. Der Leser ließ mich nicht lange zappeln: "Ich sage nur ein Wort: Produkt-Placement." Nun war ich mehr als hellwach, denn einer Zeitung den Vorwurf der Schleichwerbung (die nicht wörtliche, aber Sinn ergebende Übersetzung des englischen Ausdrucks) zu machen, ist schon ein größeres Kaliber auf der Werteskala der Leseranfragen. Der Anrufer ist dann deutlich geworden: "In den Unfallberichten schreiben sie immer die Namen der Automarken von den Fahrzeugen, die darin verwickelt sind. Das ist für mich Produkt-Placement. Und ich werde mich schlau machen, wie man dagegen vorgehen kann." Mit dieser Ankündigung hatte er sein Anliegen vorgebracht und sich dann von mir verabschiedet. Und ich habe mich gefragt, ob Autobauer sich wirklich freuen, wenn sie beispielsweise lesen: Der Mercedes geriet ins Schleudern und prallte gegen die Leitplanke. Oder: Der Mazda hatte nur noch Schrottwert. Oder: Der Alkoholtest bei dem VW-Fahrer ergab 1,3 Promille. Oder: Auf regennasser Straße konnte der Fahrer des Opels nicht mehr rechtzeitig bremsen. Ich habe mich mit Kollegen darüber unterhalten, ich bin mir jetzt sicher: Produkt-Placement klingt anders.
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