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Den Berg runter und ab und zu ein Höhepunkt
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Zu Beginn meiner Tätigkeit als Leser-Obmann habe ich hier im Blog häufiger Rekorde vermeldet; die meisten Anrufe zwischen zehn und zwölf, das längste Gespräch mit einem Leser oder die größte Anzahl an Leserbriefen zu einem Thema. Irgendwann habe ich damit aufgehört. Der Grund war nicht, dass es keine Höchstwerte mehr gab, denn mit dem Aufspüren von Spitzenleistungen kenne ich mich aus, das bereitet mir sogar Vergnügen. Vielmehr gab es damals eine eindeutige Reaktion: "Das nervt." (Den Urheber dieses Zitates möchte ich lieber für mich behalten.) Heute aber kann ich nicht anders, das muss jetzt einfach mal gesagt werden:
"Sie sind doch der, bei dem ich mich beschweren kann, wenn mir was an der Zeitung nicht gefällt", sagte der Anrufer; feste Stimme, laut und klar, kein Dialekt, dem ersten folgten weitere ganze Sätze, verständlich formuliert und die Wörter mit Bedacht gewählt. "Das bin ich, der Leser-Obmann", bestätigte ich also die Aussage des Manns am anderen Ende der Leitung. "Dann hören Sie mir jetzt mal zu", sagte der Anrufer und begann damit, mir seine Liste mit Kritikpunkten vorzutragen. "Ab und zu etwas mehr Druckerschwärze, denn manchmal ist die Schrift arg blass, und vor allem deutlich weniger Anglizismen in den Artikeln - ich möchte, dass Sie sich dafür einsetzen", lauteten die ersten Themen in unserem Gespräch; weitere waren unter anderem das fehlende Datum über den Fernsehprogrammen am Samstag und Sonntag (der Tag im Titelkopf der Seite reicht nicht) sowie das eine oder andere Symbol auf der Wetterkarte.
Ich will es nicht weiter spannend machen, dies ist die neue Höchstmarke: "Ich bin Jahrgang 1919, also 92 Jahre alt", sagte der Leser, nachdem ich ihn (was ich öfter mache, weil es mich einfach interessiert) nach seinem Alter gefragt habe. Dieser Anrufer (mit Wohnsitz im tiefsten Vogtland) ist mit Abstand der älteste Leser, der in den vergangenen Monaten mit mir über die "Freie Presse" sprechen wollte; nicht über Nostalgie und die Bewältigung von historischen Sichtweisen, sondern nur über die Zeitung, so wie sie jeden Morgen bei ihm auf dem Tisch liegt. Und was soll ich sagen: Wir hatten viel Spaß miteinander. Nur zwei Beispiele: "Die Redakteure bei Ihnen sind doch alles studierte Germanisten, die müssten es doch besser wissen und auch schreiben können", sagte der Mann, während wir über den überflüssigen Gebrauch von englischen Wörtern sprachen. An dieser Stelle habe ich gelacht; etwas zu laut, das gebe ich gerne zu, aber am anderen Ende der Leitung wurde es registriert. "Das stimmt wohl nicht?" fragte mich der Mann. Da habe ich ihm erklärt, warum ich schmunzeln musste: "Mir sind nämlich gerade ein paar Kollegen eingefallen, die etwas ganz anderes studiert haben, was dann wirklich nur sehr wenig mit Germanistik zu tun hat." Das hat den Anrufer dann doch etwas verwirrt (ich habe ihm aber noch erklärt, dass die meisten meiner Kollegen Journalistik studiert haben und dass das doch wohl ein noch größerer Vorteil wäre, wenn man eine gute Zeitung machen will), und dann hat der Frage gestellt, die ich schon lang befürchtet hatte, in dieser Direktheit hörte ich sie zum ersten Mal: "Und was haben Sie studiert?" Vermutlich wird meine Stimme etwas kleinlaut geklungen haben, als ich bekannte: "Musik."
Das zweite Beispiel ergab sich, als ich ihn fragte, welches die Anglizismen seien, über die er sich in letzter Zeit am meisten geärgert habe. "Ranking, Highlight und Downhill", sagte der Anrufer spontan und ohne lange nachdenken zu müssen. Bei dem ersten Begriff erinnerte er sich an die Bewertung von Universitäten, bei dem letzten an die Ankündigungen und Berichte zu einer Sportart, die in seiner Region seit Jahren schon als sommerliche Alternative zum Wintersport die Fans ins Vogtland lockt. Diese Kritik habe ich noch nachvollziehen können, bei dem dritten Wort habe ich ihm widersprochen: "Highlight aber schreibe ich auch ab und zu, weil das deutsche Wort manchmal", an dieser Stelle musste ich eine kurze Pause einlegen und nachdenken, "ein bisschen befremdlich wirken könnte." Der Mann am anderen Ende schwieg, deshalb ergänzte ich noch: "Der Höhepunkt kann in manchen Sätzen etwas, sagen wir mal komisch und eventuell zweideutig klingen." Der Anrufer schwieg kurz, dann fragte mich der 92-Jährige: "Wie meinen Sie das?" Ich habe es ihm tatsächlich erklärt, aber das behalte ich jetzt mal lieber für mich.
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