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Konspirativ: Treffen oder toter Briefkasten

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Eigentlich sollte es mich doch wundern, dass es mehr als ein Jahr gedauert hat, bis mich ein Leser heute erstmals dazu aufgefordert hat; allerdings frage ich mich, ob ich vor ein paar Monaten mit der gleichen Selbstverständlichkeit das Angebot abgelehnt hätte; man weiß es nicht.

"Sie müssen über diesen Skandal berichten, ich kann Ihnen alle erforderlichen Informationen und Bilder dazu geben", sagte der Anrufer, der sich mit "ein Leser", aber ohne Namen vorgestellt hatte und dessen Telefonanschluss keine Nummer an das Display meines Apparats weitergab. Das Anliegen war jedoch nicht die Premiere, vielmehr das, was darauf folgte, nachdem ich "um was geht es denn?" gefragt hatte. "Das kann ich Ihnen am Telefon nicht sagen, ich gehe davon aus, dass wir abgehört werden", meinte der Anrufer und erklärte weiter: "Wir treffen uns, möglichst nicht in der Innenstadt, vielleicht in einem Park und auf einem Parkplatz, es geht auch eine Raststätte an der Autobahn, und dann übergebe ich Ihnen das Material."

Der Anrufer wollte mir nicht sagen, wo er wohnt, auch zu einem Stichwort, um welches Thema es geht, war er nicht bereit. Den Grund, dass ich dann keinen Redakteur bitten könnte, sich dieses Skandals anzunehmen, ließ der Mann am Telefon erst recht nicht gelten: "Das sollen Sie auch gar nicht, Sie sollen ja selbst kommen." Dazu war ich nicht bereit, das verwirrte den Leser, und er wusste zunächst nicht, wie er darauf reagieren sollte. Ein bisschen neugierig war ich doch: "Was halten Sie davon, wenn Sie mir eine Mail schicken, mit ein paar Hinweisen und vielleicht einem Foto?" fragte ich also. Wenn man Nachdenken hören könnte, hätte es zweifelsohne in meinem Headset geknistert; aber gesagt hat er weiter nichts. Also wagte ich einen zweiten Vorstoß zu einem Kompromiss: "Oder Sie tun das Material in einen an mich persönlich adressierten Umschlag und werfen ihn selbst in den Briefkasten am Haus der Freien Presse hier in Chemnitz."

Dann ging auf einmal alles ganz schnell: "Ich ruf Sie wieder an", sagte der Mann und legte auf, ohne sich zu einem meiner Vorschläge geäußert zu haben. Dann eben nicht, habe ich gedacht, und das nächste Gespräch (Thema: ein falsches Todesjahr in der Zeitung) entgegen genommen. Etwa fünf Minuten später klingelte es dann erneut, im Display war wieder nur "Amt" zu lesen; ich war tatsächlich etwas aufgeregt, gespannt drückte ich den Knopf: "Mein Name ist (...), ich wohne in (...) und ich wollte von Ihnen wissen, ob Sie daran interessiert sind, über einen handfesten Skandal zu berichten." So ist es richtig, habe ich gedacht, und musste, nachdem ich mir den Sachverhalt erklären lassen hatte, den Leser enttäuschen: Wenn der Nachbar in seinem Garten die Abfälle verbrennt und der Qualm zum eigenen Grundstück rüber zieht, ist das schlimm und zurzeit gerade vermutlich auch verboten und damit höchstwahrscheinlich eine Ordnungswidrigkeit, aber leider kein handfester Skandal, über den die Zeitung berichten könnte. Was soll ich sagen: Auch dieser Leser war mit meiner Antwort nicht zufrieden.

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