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Der Teufel macht mir keine Angst, mir nicht

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Es bedarf wieder einer Einleitung: Ich war 14 Jahre alt, als der Film "Der Exorzist" (ab 16) in die Kinos kam, mein großer Bruder mich in den Saal hinein geschmuggelt hat und ich danach wochenlang - von Alpträumen geplagt - nicht schlafen konnte und ständig das Bett untersuchte, ob es nicht Anzeichen zeigte, zu wackeln oder sich vom Fußboden zu erheben. Wer den Streifen kennt, wird mir zustimmen: echt gruselig. Vor sechs Jahren war ich längst nicht mehr so anfällig für Reaktionen auf übernatürliche Phänomene, wenn sie mir auf der Leinwand begegnen, und ich hielt mich für abgeklärt genug, um auf Gruselschocker mit dem Teufel als Hauptperson noch reinzufallen. Aber was soll ich sagen: Nach dem Film "Der Exorzismus von Emily Rose" (2005) kroch mir doch ein eisiger Schauder den Rücken hoch, als ich nach dem Kinobesuch meine dunkle Wohnung betrat und in der Ecke des Flurs der Kater saß; er bewegte sich nicht, seine Augen leuchteten, er sah mich nur an, statt wie gewohnt um meine Beine herum zu schleichen. Daran musste ich denken. Bei diesem Anruf:

"Meine Familie will an mir einen Exorzismus durchführen lassen, ich bin eingesperrt, ich kann nicht weg, sie müssen mir helfen", sagte die leise, brüchige Stimme einer Frau, bevor sie noch hinzufügte: "Heute noch, es geht um Stunden." Da war sie also, diese Situation, in der ich zunächst mal nicht weiß, wie ich reagieren soll; ich musste tatsächlich an die beiden Filme denken. Die erste Frage, nachdem ich mich entschieden hatte, mich auf das Gespräch einzulassen, war schnell beantwortet: Das ist keiner von diesen Scherzanrufen, um mich auf die Probe zu stellen oder mich dumm dastehen zu lassen; die Frau nannte mir ihren Namen und ihre Telefonnummer, die mir auch das Display zeigte, und ich gab die Ziffern gleichzeitig in die Suchmaschine eine: Keine Warnung. Also versuchte ich, mich möglichst sachlich und unaufgeregt zu verhalten, mit weiteren Fragen die Ernsthaftigkeit dieses Anrufs und dieses Anliegens zu ergründen: "Wo wohnen Sie denn?" fragte ich und erhielt als Antwort: "In München." Damit war eins für mich klar, und die nächste war eine Suggestivfrage: "Dann lesen Sie also nicht unsere Zeitung?" Die Anruferin widersprach nicht und gab auch zu, die Telefonnummer im Internet gefunden zu haben. Gerne hätte ich gefragt, welche Suchbegriffe sie eingegeben hat, um am Ende bei mir zu landen; aber das habe ich mich nicht getraut. Ich wollte sachlich bleiben, nicht für Aufregung sorgen.

"Sie können also telefonieren und ins Internet. Haben Sie schon die Polizei angerufen, die Notrufnummer gewählt?" fragte ich weiter und wollte außerdem wissen: "Gibt es Freunde, denen Sie vertrauen und die sich um Sie kümmern können?" Die Frau am anderen Ende der Leitung antwortete in einem nicht weniger sachlichen Ton: "Das alles habe ich schon getan, aber niemand glaubt mir. Deshalb möchte ich ja damit an die Öffentlichkeit gehen. Können Sie nicht einen Reporter vorbeischicken?" Während ich erklärte, dass die "Freie Presse" eine Zeitung ist, die in Chemnitz hergestellt wird, ist mir dann doch langsam klar geworden, dass die Anruferin vermutlich ein Problem hat, bei dem ich und auch die "Freie Presse" ihr nicht helfen können. In diesem Moment entschied ich mich für die Wahrheit, geradlinig und raus damit: "Tut mir leid, ich kann leider nichts für Sie tun." Die Frau schwieg, sie redete einfach nicht weiter, ich hörte gar nichts im Kopfhörer. Nun wurde mir wieder etwas mulmig, also sagte ich: "Sie müssen mir jetzt folgendes versprechen: Sie rufen jetzt noch einmal die Polizei an. Danach wählen Sie die Nummer der Telefonseelsorge, die ich Ihnen jetzt gebe. Und wenn Sie bis 12 Uhr gar nichts erreicht haben, dann melden Sie sich noch einmal bei mir." Das Angebot sollte mir Zeit verschaffen, damit ich mit Kollegen darüber beraten kann, was in solch einer Situation zu machen ist. Die Reaktion der Anruferin hat mich überrascht: "Ist gut", sagte sie und legte auf.

Sie hat nicht noch einmal angerufen.

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