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Warum auch immer: Es geht ums Prinzip
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Am Samstag habe ich einen Nachbarn gesehen, wie er auf dem Hof hinter dem Haus die Reifen seines Autos gewechselt hat; weil er schon dabei war, als ich zu der Runde mit dem Rad startete, und noch nicht fertig war, als ich zurückkam, weiß ich genau: Diese Arbeit hat mindestens anderthalb Stunden gedauert, und sein Gesicht sprach Bände angesichts der nervenaufreibenden Mühen mit dem Wagenheber, seine Hände waren nicht weniger verschmiert als seine Hose. Und gerne hätte ich ihn gefragt: Warum machen Sie das selbst, warum fahren sie nicht in die Werkstatt - rauf auf die Bühne, 20 Minuten warten, runter von der Bühne, und fertig? Für wirklich nicht viel Geld? Ich habe mein Fahrrad reingetragen, nur geguckt, nicht gefragt. Vor zwei Jahren hätte ich das noch getan, doch wenn ich eines gelernt habe bei meinen Gesprächen mit Lesern, dann dies: Es gibt weltanschauliche Prinzipien, über die diskutieren Menschen einfach nicht, sie sind Gebot, ein unumstößliches. Wie das Aufziehen von Winterreifen, das macht man selbst. Dafür Geld ausgeben? Niemals. Punkt. Heute aber konnte ich (erstmals seit langem) nicht widerstehen: Ich habe gefragt.
"Ich würde gerne mal mit Ihnen über die Kurse der Währungen reden, die Sie immer auf der Wirtschaftsseite veröffentlichen", sagte ein Leser und fügte hinzu: "Speziell geht es mir um die tschechischen Kronen." Weil es der erste Anruf überhaupt zu diesem Thema war, musst ich zuerst mal blättern, um in der Samstagsausgabe zu finden, um was es dem Mann ging: "Kurse für Reisende" las ich unter der Rubrik "Börsen und Märkte". Weil dort viele Zahlen standen, kam in mir eine Vermutung auf, weshalb ich fragte: "Stimmt etwas nicht?" Doch der Leser konnte mich beruhigen: "Nein, mir geht es um eine grundsätzliche Frage: Wenn ich nach Tschechien fahre, um dort einzukaufen, und mir dort Kronen aus dem Automaten ziehe, dann gilt immer ein ganz anderer Kurs als der, den ich am gleichen Tag bei Ihnen in der Zeitung gelesen habe." Meine Reaktion darauf: "Ich rufe zurück."
Nach der Mittagspause war ich schlauer, wusste einiges über Richtwerte, von Banken in Rechnung gestellte Gebühren und Schwankungen im Tagesverlauf und habe dies dem Leser auch alles erklärt; mein laienhaftes Verständnis war mit seinem kompatibel, der Mann war mit meiner Erklärung zufrieden und sagte: "So etwas hatte ich mir schon gedacht." Damit hätte das Gespräch eigentlich zu Ende sein können, doch ich fragte, warum auch immer: "Wohnen Sie weit weg von der Grenze?" Es seien 26 Kilometer, sagte der Mann. In meinem Kopf ging die Rechnung schnell, das Ergebnis lautete: Fünf bis sechs Euro hat er mindestens allein an Spritkosten für die Fahrt zum Einkaufen. Weshalb ich dann die entscheidende Frage stellte: "Lohnt sich das denn überhaupt noch?" Es folgte ein etwa dreiminütiger Vortrag, der mit den Worten begann: "Nicht mehr so wie früher, aber Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist." Auf die Produkte, die man (jenseits von Zigaretten und Treibstoff) in Tschechien noch billiger einkaufen (oder gleich verzehren) kann, möchte ich jetzt nicht näher eingehen; ich bitte um Verständnis. Meine Haltung dazu habe ich in eine weitere Bemerkung einfließen lassen: "Also mir wäre die Zeit zu schade, vor allem die Autofahrt würde mich abschrecken." Das konnte der Anrufer gar nicht nachvollziehen: "Es geht doch ums Prinzip", sagte er. Man müsse doch sparen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet.
An dieser Stelle habe ich mich für das Gespräch bedankt und mich verabschiedet. Die Diskussion über Zeit als Wert für die Gestaltung des eigenen Lebens hätte ich gerne geführt, aber eine innere Stimme sagte mir, dass sie kaum auf fruchtbaren Boden gefallen wäre; wirklich traurig war ich darüber aber auch nicht. Gleich anschließend habe ich meiner Autowerkstatt angerufen und Termin für den Reifenwechsel ausgemacht; während ich dann dort in der Lobby warte, trinke ich Kaffee und lese etwa 30 Seiten in meinem Krimi.
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