Blog "Leser-Obmann": Männer - sind sie wirklich so?

Die Stimme ist klar und deutlich, die Anruferin spricht ausschließlich in ganzen Sätzen und formuliert korrekt und mit Bedacht: "Ich bin 91 Jahre alt und habe eine Idee", sagt sie und informiert mich weiter, damit ich alles richtig einordnen und verstehen kann: Die Frau lebt alleine, versorgt sich komplett selbst, nur mit dem Gehen hat sie Probleme, weshalb sie einen Rollator hat und mit diesem Hilfsmittel auch ihre Einkäufe erledigt. "Selbst das Busfahren kriege ich hin, nur ebenerdig muss der Einstieg sein", erzählt sie weiter und verrät, dass sie nur bei dem Besorgen von Lebensmitteln auf das Taxi angewiesen ist. "Es hat etwas gedauert, bis ich einen Taxifahrer gefunden habe, aber jetzt gibt es einen, der mir immer hilft; ein wahrer Engel", fügt sie noch hinzu. Die 91-Jährige liest täglich die "Freie Presse". "Und zwar von A bis Z", ergänzt sie und klingt, was ich durchaus wahrnehmen soll, stolz dabei. Demnach hat sie auch meine Kolumne "Immer diese Ideen" auf der aktuellen Seite Leserforum gelesen. Deswegen auch ihr Anliegen: "Ich habe eine Idee."

Dies ist sie: Die Leserin wohnt auf dem Kaßberg in Chemnitz und fährt häufiger mit dem Bus in die Innenstadt. "Man kann schließlich nicht in der Wohnung versauern, ich will auch noch was sehen vom Leben außerhalb meiner vier Wände", erklärt sie mir ihre Motivation. Die nötige Mobilität verschafft ihr, wie erwähnt, der Rollator. "Ich komme wunderbar damit zurecht", sagt sie, bevor sie zum eigentlichen Thema kommt: "Nur wenn es darum geht, dass ich Türen öffnen muss, bin ich auf Hilfe angewiesen." Und dabei hat sie in den vergangenen Monaten beziehungsweise Jahren eine Erfahrung gemacht: "Es helfen mir fast immer nur Frauen, Männer so gut wie nie", teilt sie mir mit und kommt auf diese Weise zum Kern ihres Anliegens: "Warum ist das so? Warum sind Männer weniger höflich als Frauen? Darüber würde ich gerne mal etwas in Ihrer Zeitung lesen. Das ist meine Idee."

Zunächst war ich skeptisch: "Ist das wirklich so?" habe ich deshalb gefragt und zur Antwort erhalten: "Sie können mir ruhig glauben, junger Mann." Also habe ich das getan und nicht weiter darüber diskutiert, warum das vermeintlich starke weniger höflich als das vermeintlich schwache Geschlecht sein soll. Ich habe der Leserin gesagt, dass ich ihre Idee weitergeben werde mit der Bitte, dass sich vielleicht ein Redakteur dieses Themas annimmt. Und was soll ich sagen: Ich bin selbst gespannt, ob es eine Reaktion gibt. Denn meine Recherchen im Netz waren erfolglos: Einen Beleg dafür, dass Männer nicht so zuvorkommend wie Frauen sein sollen, habe ich nicht gefunden. Allerdings weiß ich genau: Ich würde einer 91-jährigen Frau mit Rollator immer die Tür aufhalten; ganz bestimmt, ehrlich.

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