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Ich gebe zu: Das stimmt mich traurig

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Es kommt vor, dass Gespräche mit Lesern mich melancholisch stimmen; und ich weiß nicht wirklich warum. Nur das ist mir klar: Wenn der Anrufer zwischen Wut und Niedergeschlagenheit kaum Worte findet für das, was in ihm eine Welle von heftigen Emotionen auslöst, nachdem er es in der Zeitung gelesen hat, und wenn er mir davon erzählt, dass er gar nicht weiß, wie er damit umgehen soll, dann hinterlässt das bei mir ein Gefühl der Ohnmacht. Und vermutlich die macht mich manchmal traurig; weil ich gerne helfen würde, aber nicht kann. Zuhören ist das Mindeste, aber das reicht nicht. So wie in diesem Fall:

Thomas K. (Name geändert) ist seit zwei Jahren Rentner, Zeit seines Lebens hat er eigentlich nur zwei Hobbys gepflegt: Fußball und die Liebe zur Heimat. Der 65-Jährige sammelt alles, was er über die sächsischen Vereine ergattern kann, archiviert Texte und Fotos fein säuberlich in Mappen und Alben. "Internet brauche ich nicht, ich will etwas zwischen den Fingern haben", beschreibt er seine Passion. Seine Lieblingsfarbe ist zwar himmelblau, aber die Leidenschaft für diesen Sport springt auf alle anderen Vereine in der Region über. "Ich bin ein Fußballfan, dazu stehe ich", sagt er und bekennt, dass kein Neid aufkommt, wenn andere Teams in höheren Ligen spielen.

Die Region, das Land, seine Heimat hat Thomas K. nie verlassen. "Ich habe mich hier immer wohlgefühlt, ich wollte nie weg. Ich bin Sachse mit Leib und Seele", verrät er mir am Telefon und erzählt mir, wie er sich erst jetzt, nachdem der Job im Büro davon nicht mehr abhält, so richtig in die regionale Historie reinknien kann. "Ich lese viel, besuche endlich all die Museen, für ich früher keine Zeit hatte, und wenn es mich packt, dann melde ich mich auch schon mal im Stadtarchiv an und wälze alte Zeitungsbände." Ein echtes Ziel hat er dabei nicht: "Ich will einfach nur so viel wie möglich über meine Heimat wissen."

Und dann schlägt er gestern die "Freie Presse" auf und liest auf der Seite Zeitgeschehen die Überschrift "Das verdorbene Fußballfest". In der Reportage wird darüber berichtet, dass einige wenige aus der Landeshauptstadt angereiste Chaoten beim Pokalspiel von Dynamo Dresden in Dortmund (wieder einmal) für Randale gesorgt haben und den Verein erneut in Misskredit gebracht haben. Für Thomas K. ist das zu viel:

"Ich ertrage das kaum, das sind doch keine Fans, ich verstehe einfach nicht, wie man diesem wunderbaren Sport das antun kann", sagt er am Telefon und fügt hinzu: "Es ist mir klar, dass man das niemals ganz wird verhindern können, aber es trifft mich jedes Mal wieder bis ins Mark." Nicht weniger schlimm ist für den fußballbegeisterten Senior eine andere Auswirkung: "Der Rest von Deutschland denkt doch jetzt garantiert wieder: So ist der Osten in Sachsen eben, die werden es wohl niemals lernen." Und dass die Menschen in Dortmund oder anderswo in den alten Bundesländern jetzt wieder schlecht von seiner Heimat reden, trifft Thomas K. nicht weniger hart. "Damit werde ich jetzt wohl leben müssen, aber leicht fällt mir das nicht", sagt er abschließend und bedankt sich für das Gespräch; es war nicht wirklich eins, denn ich habe eigentlich nur zugehört. Umso mehr haben diese Minuten in mir eine Traurigkeit hinterlassen.

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