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Bloß die Maus darf ich nicht treffen

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Ganz ehrlich, ich mache das wirklich: "Genau, darauf hast du nur gewartet" denke ich manchmal zu Beginn eines Gesprächs mit einem Leser am Telefon, und dann klappe ich das Mikrophon meines Headsets etwas höher, schlage mit der rechten flachen Hand  leicht (nicht hörbar) auf meinen Schreibtisch, während ich darauf achten muss, die Maus nicht zu treffen, und flüstere (das geht tatsächlich) ein energisches "Ja" vor mich hin. Ich habe auch schon mal über Alternativen nachgedacht, aber die Becker-Faust erscheint mir übertrieben, und es ist (weil ich allein in meinem Büro bin) niemand da, dem ich meine Hand zu "Give me five!" entgegenstrecken könnte. Warum ich das erzähle? Ganz einfach: Heute ist es gleich vier Mal passiert:

Episode 1: "Ich würde gerne mal mit Ihnen über eine Partnerschaftsanzeige reden", sagte ein Anrufer und verstand meine Antwort zuerst nicht, weil ich vergessen hatte das Mikrophon wieder in Mundhöhe zu positionieren. "Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte ich dann zum zweiten Mal und in freudiger Erwartung, mit dem Mann den Text für eine Kontaktanzeige zu formulieren, weil ihm das Schreiben schwer fällt. Aber ich hatte mich zu früh gefreut: "Bei der einen Anzeige wähle ich mich bis zur Ansage durch, aber dann höre ich nichts und bin verärgert", erklärte mir der Leser. Mit diesem Problem überfordert habe ich den Mann verbunden und später erfahren: Bei Partnerschaftsanzeigen kann der Kunde den Anrufbeantworter besprechen, aber er muss es nicht.

Episode 2: "Was zahlen Sie denn?" fragte mich eine Leserin und schwieg. Weil ich von Zeit zu Zeit von Anrufern gefragt werde, ob sie als freie Mitarbeiter für die Redaktion arbeiten können, ging ich in diesem Fall zuerst davon aus, dass es um dieses Thema ging, weshalb ich antwortete: "Das kommt unter anderem darauf an, wie gut der Text ist und auf welcher Seite er erscheint." Nun war die Frau am anderen Ende der Leitung etwas verstört und ergänzte deshalb nach zwei bis drei Sekunden des Nachdenkens: "Ich will nicht schreiben, ich will Ihre Fenster putzen." (In diesem Fall war der Schlag mit der Handfläche etwas heftiger, weil ich gleichzeitig mein Lachen möglichst lautlos gestalten musste.) Denn mir war klar gewesen: Mit meiner Kolumne "Vor dem Fenster" auf der aktuellen Seite Leserforum suggeriere ich, ein Problem mit dem Reinigen der Scheiben zu haben. Aber das stimmt nicht: "Vielen Dank, aber ich putze selber", habe ich der Leserin geantwortet, aber nicht hinzugefügt: Zwei Mal im Jahr, das muss reichen.

Episode 3: "Endlich, endlich, endlich lese ich das auch in Ihrer Zeitung", sagte ein Anrufer und nutzte diesen energiegeladenen Anlauf, um mir die folgenden Worte regelrecht entgegen zu schleudern: "Das ist nämlich keine Verschwörungstheorie, das ist die Wahrheit." Damit war das Stichwort gefallen, und ich durfte meiner Erleichterung darüber, mich mit meiner Erwartung nicht getäuscht zu haben, mit der Obmann-Hand doch noch Ausdruck verleihen. Muss ich es noch erklären? Natürlich ging es um Chemtrails, zu denen es auf der aktuellen Seite Leserforum gleich zwei Leserbriefe gibt.

Episode 4: "Das ist doch mal wieder typisch, und trotzdem regt es mich maßlos auf", sagte ein Leser und fügte hinzu: "Es war doch klar, dass er so billig davon kommt, das bezahlt der doch aus der Kaffeekasse." Mein Gedanke (mit anschließendem Prozedere): Darauf habe ich eigentlich nur gewartet, dass es den ersten Anruf dazu gibt, bevor es überhaupt in der Zeitung stehen kann, weil es heute erst bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Zuge der Plagiatsaffäre eingestellt hat und der Politiker 20.000 Euro an die Deutsche Kinderkrebshilfe zahlen muss. Und auch da bin ich mir sicher: "Bitte schreiben Sie mir dazu doch einen Leserbrief", habe ich dem Anrufer noch gesagt und weiß: Es wird wohl nicht der einzige sein.

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