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So soll es sein: Man gönnt sich ja sonst nichts

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Im Laufe der vergangenen Monate habe ich gelernt, auf die Feinheiten zu achten, wenn Leser mir am Telefon sagen: Da ist ein Fehler in der Zeitung. Beispielsweise geht es fast täglich darum, dass Anrufer mir eine Größen- oder auch Mengenangabe nennen und mir zu verstehen geben, dass das wohl nicht stimmen könne. Und dabei gibt es diesen einen feinen Unterschied. Die einen sagen: Die Zahl ist falsch. Und die anderen meinen: Die Zahl kann nicht stimmen. Bei der ersten Kategorie frage ich sofort nach dem Artikel, um den es geht, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass der Anrufer eigentlich immer Recht hat mit seinem Hinweis und dass es sich nicht wirklich lohnt, gleich zu Beginn in eine Verteidigungshaltung zu gehen.

Ganz anders jedoch, wenn Leser so beginnen: "Die Zahl kann nicht stimmen", sagte heute ein Anrufer zur Eröffnung und erhielt meine Antwort für diese Kritik: "Das wollen wir doch erst mal sehen, das überprüfen jetzt beide gemeinsam. Haben Sie ein paar Minuten Zeit?" Daraus ergeben sich eigentlich immer interessante, vor allem auch unterhaltsame Gespräche. Das war auch bei diesem so, dies was die von dem Leser in Zweifel gezogene Zahl, er zitierte die komplette Nachricht: "Las Vegas. Die Nachfrage aus Schwellenländern wie Indien und China treibt nach Einschätzung von Analysten in diesem Jahr den weltweiten Verkauf von Elektronikkonsumgütern erstmals über eine Billion Dollar (rund 780 Milliarden Euro)." Und der Mann in der Leitung meinte: "Das geht überhaupt nicht, denn das würde ja bedeuten, dass jeder Erdenbewohner in dem Jahr fast hundert Euro für solche Dinge ausgegeben hat, jedes Kleinkind in Indien und China, jeder Bewohner von Steppen und Wäldern, jeder Mensch auch dort, wo es noch nicht einmal Strom gibt."

"Einen Augenblick bitte", habe ich darauf geantwortet und innerhalb weniger Sekunden im Computer zwei Suchanfragen gestartet: Im Archiv der "Freien Presse" habe ich mir die Meldung der Nachrichtenagentur aufgerufen und stellte fest, dass genau diese Zahl dort geschrieben steht; zum anderen habe ich in der Suchmaschine unter "News" den Wortlaut der Meldung eingegeben und festgestellt, dass viele andere Zeitungen und Medien diese Nachricht verbreitet haben und niemand in der Zeit danach eine Korrektur gebracht hat. Also stand für mich fest: Die Zahl ist richtig. Aber wie sage ich das dem Leser? Ohne oberlehrerhaft den Eindruck zu erwecken, an seinem Urteilsvermögen zweifeln zu wollen? Diese Variante habe ich gewählt:

"Mir kommt diese Zahl gar nicht so groß vor. Aber dürfte ich Sie mal etwas fragen: Was haben Sie sich im vergangenen Jahr an Unterhaltungselektronik neu zugelegt?" habe ich gesagt und als Antwort erhalten: Einen Flachbildfernseher und einen Computer für insgesamt rund 2000 Euro. "Und die Ehefrau? Sie sind doch verheiratet, oder?" Antwort: Ein Smartphone für rund 400 Euro. "Kinder?" Der Sohn eine Play Station für rund 200 Euro, die Tochter einen MP3-Player mit Touchscreen für etwa 100 Euro. Also habe ich zusammengerechnet und gesagt: "Ihre Familie hat allein 2700 Euro ausgegeben und damit ..." An dieser Stelle hat mich der Leser unterbrochen und gesagt: "Ich verstehe, was Sie meinen, und wenn ich mir vorstelle, was die Menschen in Ländern wie den USA für solche Geräte ausgeben, dann dürfte das vermutlich doch stimmen, auch wenn viele Menschen in anderen Ländern niemals überhaupt Unterhaltungselektronik kaufen."

Also war meine Strategie aufgegangen, ich habe den Anrufer von der Richtigkeit der Zahl überzeugen können. Ganz zufrieden aber war er noch nicht, denn zum Schluss stellte er mir noch diese Frage: "Und was haben Sie sich im vergangenen Jahr gekauft?" Die Stereoanlage ist 20 Jahre alt, den Computer habe ich seit fünf Jahren und er funktioniert wunderbar, einen Fernseher gibt es schon lange nicht mehr in meiner Wohnung, das Handy wird erst dann ersetzt, wenn es kaputt ist, also habe ich geantwortet: "Ein neues Haarschneidegerät mit der kürzesten Einstellung für einen Millimeter Haarlänge für 50 Euro, zählt das?"

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