Blog "Leser-Obmann": Guter Rat: Erst lesen, dann schreiben

Diese Eröffnung eines Gesprächs höre ich von Lesern gar nicht mal so selten: "Ich habe eine gute Idee zur Verbesserung der Zeitung", sagte heute ein Anrufer und wurde gleich konkreter: "Und zwar sollten Sie auf der Seite Ratgeber eine neue Rubrik einführen mit dem Titel 'Über den Tisch gezogen'. Was halten Sie von dieser Idee?" Vor einer Antwort habe ich natürlich um weitere Erläuterungen gebeten, und der Anrufer hat mir erklärt:

Seiner Ansicht nach würde diese Rubrik viele Leser dazu bewegen, den Artikel zu lesen, weil jeder Mensch auf der Hut davor sei, sich über den Tisch ziehen zu lassen. "Beispielsweise wenn man an der Tür jemanden hat, der einem etwas verkaufen will", fügte der Mann am anderen Ende der Leitung noch hinzu. Das war die Stelle, an der ich ihn unterbrach und sagte: "Die Kollegen im Ressort Ratgeber informieren doch häufig auf ihrer Seite über die Gefahr von Vertragsabschlüssen an der Haustür oder auch im Internet. Und wenn es beispielsweise eine neue Masche oder Methode gibt, mit denen solche zwielichtigen Personen unterwegs sind, dann gibt es einen besonderen Artikel darüber. Ist das nicht Warnung genug?" frage ich den Anrufer. Der Mann hat mir nicht widersprochen, aber seine Meinung noch einmal betont: "Aber bei dieser Rubrik würden es ganz bestimmt noch mehr Leute lesen, da bin ich mir ganz sicher." Ich versprach ihm, diesen Vorschlag an die Kollegen weiterzuleiten. Fast hätte ich mich schon verabschiedet und den Hörer aufgelegt, als mir dann doch noch etwas einfiel:

"Wie sind Sie überhaupt auf diese Idee gekommen?" fragte ich und wollte auch wissen: "Ist es Ihnen selbst passiert, dass Sie jemand über den Tisch gezogen hat?" An den Geräuschen beziehungsweise der Reaktion des Anrufers konnte ich erkennen, dass ihm die Antwort darauf etwas unangenehm war, doch schließlich antwortete er doch: "Die Frau in der Haustür wollte mir das Abo für eine Zeitschrift verkaufen; sie war wirklich nett, wir haben uns lange unterhalten, aber dann habe ich doch abgelehnt, weil ich mir das nicht leisten kann." Nach einer kurzen Pause erzählte mir der Leser dann dies: "Am Ende hat sie mich dann gebeten, weil sie sich gegenüber ihrem Auftraggeber rechtfertigen müsse, ein Gesprächsprotokoll darüber, dass sie mit mir gesprochen habe, zu unterschreiben. Und das habe ich dann auch getan."

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