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Ich schnurpse einen Apfel - geht das?

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Die erste Woche nach langer Pause liegt hinter mir, mehr als 50 Gespräche habe ich seit Montag mit Lesern geführt, und es waren vor allem auch wieder diese kleinen Randnotizen, die mich zum Lachen gebracht haben und für mich mit ein wesentlicher Grund dafür sind, dass ich von dieser Überzeugung nichts verloren habe: Leser-Obmann zu sein ist eine tolle Aufgabe, die verdammt viel Spaß macht.

Episode 1: "Wegen Regen haben wir gestern nicht grillen können", sagte mir ein Anrufer, nachdem er seinen Namen gesagt hatte; ich hatte ihn aber längst an der Stimme erkannt und wusste, dass es mein "Fallexperte" war, der da in der Leitung zu mir sprach und sich, weil er Rentner ist und viel Zeit hat, als eine besondere Art von Kreuzritter für den richtigen Gebrauch des Genitivs versteht. Deshalb ging ich auf die Bemerkung gar nicht ein, sondern frage: "Um welche Seite handelt es sich denn, Herr W.?" Der Leser nannte mir die Lokalseite, nach wenigen Sekunden hatte ich sie auf dem Bildschirm, schnell überflog ich die Überschriften und war schon bei der vierten fündig geworden: "Eine Fahrtrichtung wegen Test gesperrt", las ich laut und bekam dafür als Reaktion: "Das ist richtig, weil es falsch ist", sagte Herr W. und legte auf. Gerne hätte ich ihm noch gesagt, dass sich die Redaktion darauf verständigt hat, allein stehende Substantive, die stark gebeugt werden, im Singular gar nicht zu beugen, so wie es der Duden zulässt. Aber das habe ich ihm bereits früher schon gesagt, dass will Herr W. nicht hören.

Episode 2: "Tut mir leid, aber ich schnurpse gerade einen Apfel", sagte ich einem Leser, nachdem er sich vorgestellt und mich gebeten hatte, doch bitte etwas deutlicher zu sprechen. Ich hatte das Kauen und das anschließende Schlucken bereits beendet, als der Mann mich nach kurzem Zögern, weil er wohl erst noch nachdenken wollte, mit der Frage konfrontierte: "Was tun Sie?" Nun war ich verwirrt, weil ich das Essen eines Apfels nicht gerade als eine Tätigkeit ansah, die einer Erklärung bedurfte. Also fragte ich zurück: "Wie meinen Sie das?" Die anschließende kurze Diskussion kürze ich jetzt mal ab, denn nachdem wir beide geklärt hatten, dass es um das Prädikat in diesem Satz und über dessen richtige Verwendung ging, will ich diese Frage jetzt einfach mal in den (virtuellen) Raum stellen: Kann man einen Apfel so essen, dass es schnurpst? Der Leser war ein Sachse, ich lebe auch schon lange hier; wir waren geteilter Meinung.

Episode 3: "Die Spinne auf dem Foto hat eindeutig neun Beine, das kann doch wohl nicht stimmen", sagte mir ein Anrufer und bat mich, das Foto zu dem Artikel "Riesenspinnen verbreiten Panik in Indien" (am Mittwoch auf der Seite "Aus aller Welt") mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich tat das und zählte: Eins, zwei, (...) neun; und dabei weiß doch jeden Kind, dass Spinnen acht Beine haben. Dann las ich den Vorspann des Berichts: "Die großen Achtbeiner ..." Nun war ich (mal wieder) verwirrt und bat um Geduld: "Ich kläre das und rufe zurück." Anschließend bat ich fünf Kollegen in der Redaktion, die Beine der Riesenspinne zu zählen (nur vier erklärten sich bereit dazu, denn eine Kollegin verzog ihr Gesicht, rollte mit dem Schreibtischstuhl einen Meter zurück, streckte den rechten Arm nach vorne, hob die Hand (im rechten Winkel zum Unterarm) und fauchte: "..." (Aus Respekt möchte ich auf dieses Zitat verzichten, die Wortwahl war ebenso drastisch wie nicht gesellschaftsfähig.)  Noch drei Redakteure haben sich nach dem Zählen der Spinnenbein weiter mit diesem Thema beschäftigt (die Zeit nahmen sie sich, weil man auch mit einem Kaffeebecher in der Hand nachdenken kann), bevor dann ein Kollege die rettende Idee hatte: "Internet." Lange Rede (also eine Viertelstunde später), kurzer Sinn: Die Riesen spinne hat acht Beine und zwei große Kieferklauen, von denen man auf dem Foto aber nur eine sehen kann. Das habe ich dem Leser kurze Zeit später mitgeteilt: "Ach so", sagte er noch und fügte hinzu, es war eine Frage: "Wie heißte noch mal die Spinnenkunde richtig?" Das war zu viel für mich: "Jetzt ist aber Schluss", sagte ich und verabschiedete mich mit freundlichen Worten.

Episode 4: Alle Fragen, die mich Leser am Telefon zu meiner Krankheit gestellt haben, habe ich mit den Hinweis "zu persönlich" nicht beantwortet. Das haben alle Anrufer respektiert; bis auf einen: "Haben Sie sich denn in dem Krankenhaus wohl gefühlt?" fragte er mich so ganz nebenbei. Die Antwort darauf war für mich kein Problem, und ich erzählte von der schönen Atmosphäre auf der Station und von der wundervollen Betreuung durch das Pflegepersonal. "Konnten sie auch spazieren gehen?", fragte mich der Leser weiter. Also habe ich von meinen Erkundungstouren der Umgebung erzählt, von der Landschaft geschwärmt, bis ich dann einen Fehler beging: "Ich habe mir auch den neuen Tiger angeschaut", sagte ich. Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte, als er sagte: "Danke, jetzt weiß ich, wo ich Schwester M. suchen muss. Sie hören von mir." Ich nahm das mit Humor, weil ich das Glatteis nicht gesehen hatte, als ich es betrat, doch war ich sekundenlang sprachlos, als die nächste Anruferin sich meldete mit den Worten: "Ich bin nicht Schwester M., aber für Spaß bin ich auch zu haben."   (siehe Kolumne "Wieder an Bord" auf der Seite Leserforum)

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