Blog "Leser-Obmann": Es gilt: Vertrauen ist gut, aber ...

Lange habe ich überlegt, ob ich von diesem kurzen Gespräch mit einem Leser überhaupt berichten soll, weil ich dabei eine nicht gerade besonders elegangte Figur abgegeben habe; außerdem war ich mir nicht sicher, ob nicht die eine oder andere Abteilung in unserem Verlag mir das übel nehmen würde, wenn ich mich eher locker mit diesem Thema beschäftige. Also habe ich bis heute gewartet, und der Grund dürfte sich mit dem Gespräch vermutlich selbst erklären.

"Ich habe hier die Karte für ein Preisausschreiben in der Hand", sagte der Anrufer und fügte dieser Information noch hinzu: "Ich habe mal eine Frage dazu." Während der Mann noch überlegte, wie er mir den weiteren Sachverhalt seines Problems möglichst verständlich mitteilen kann, war ich mir sicher: Ein klarer Fall für die Kollegen im Ressort Ratgeber; dort gehen häufiger Fragen von Menschen ein, die sich an einem Gewinnspiel beteiligt und dabei übersehen haben, was sie mit ihrer Unterschrift sonst noch alles bekommen.

"Es geht da um das Kleingedruckte", hörte ich den Leser sagen, womit für mich klar war: "Ich verbinde sie mal mit den Kollegen im Ratgeber, die kennen sich mit diesem Thema viel besser auf, bleiben Sie bitte in der Leitung, denn ich ..." Weiter kam ich nicht, der Anrufer hob seine Stimme hörbar an, als er sagte: "Nein, ich will mit Ihnen sprechen, Sie sind doch der Leser-Obmann." Also gut, dachte ich, dann darf er gern mit mir darüber reden, wenn es ihn weiterhilft.

"Es geht mir da um das eine Kreuz, das ich machen kann, aber nicht muss, weil ich ...", sagte der Mann, machte eine Pause, bevor er fortfuhr: "Ich zitiere: ... bin ich damit einverstanden (...) über interessante Angebote und Dienstleistungen (...) informiert zu werden." Ich kommentierte diesen Hinweis nicht näher, weil ich davon ausging, dass damit das Problem des Lesers noch nicht konkret ausgesprochen war. Damit lag ich richtig: "Ich befürchte nämlich, dass ich gar nicht in die Lostrommel komme, wenn ich das Kreuz nicht mache. Der Gedanke muss sich einem doch aufdrängen, meinen Sie nicht auch?", fragte er mich. Ich habe ihm nicht gerade zugestimmt, wollte aber auch nicht ausschließen, dass dies möglich sei, weswegen ich eine, wie ich fand, geradezu weise Entscheidung traf und den Mann fragte: "Das hängt vermutlich vor allem davon ab, ob das Unternehmen, das das Preisausschreiben veranstaltet, in ihren Augen eine seriöse Firma ist oder ob sie ihr zutrauen, dass es nur ein Vorwand ist, um an ihre Adresse zu kommen, damit sie später dann Werbung zugeschickt bekommen. Wie sieht es denn aus: Gehen Sie davon aus, dass das Preisausschreiben von einem seriösen Veranstalter ausgeschrieben wird oder ob da eher eine andere Intention dahintersteckt?" Der nächste Satz machte mich dann sekundenlang sprachlos:

"Aber gerade deswegen rufe ich Sie doch an", sagte der Mann am anderen Ende der Leitung; mehr hörte ich nicht, und ich fragte mich: Was soll ich mit dieser Information anfangen? Mich vielleicht im Netz schlau machen wegen dieses Preisausschreibens? Also entschloss ich mich zur Flucht nach vorne: "Wie meinen Sie das?" Und der Leser erklärte mir:

"Ist doch klar", sagte er und fuhr fort: Auf der Karte steht Pressefest-EM-Gewinnspiel. Und da dachte ich mir, dass es eine gute Idee sei, den Leser-Obmann der Freien Presse anzurufen und ihn zu fragen: Wie sieht's aus?" Meine Antwort hat ihn beruhigt: "Natürlich kommen alle Teilnehmerkarten in die Lostrommel, das kann ich Ihnen versichern."

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