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So in etwa funktioniert Murphys Gesetz
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Vor einer Woche war Freitag der 13., und zwischen 10 und 12 Uhr hatte ich nur angenehme Gespräche mit Lesern, es war ein schöner Vormittag, so liebe ich meinen Beruf wirklich sehr. Heute ist zwischen 10 und 12 Uhr alles schiefgegangen, was nur schief gehen konnte. Aber der Reihe nach:
Erstens: Bei der zweiten Aktion nach dem Einschalten des Computers habe ich in der Kaffeemaschine den Filter nicht richtig positioniert, so dass das Endprodukt nicht wirklich etwas mit Kaffee zu tun hatte; ein zweiter Versuch war mir nicht vergönnt, weil von nun an das Telefon ununterbrochen klingelte oder die Gespräche nie von kurzer Dauer, eher von längerer waren.
Zweitens: Der erste Anrufer wollte mit mir über Kunst reden; dieses Thema spielt häufiger eine Rolle, weil die Leser, die deswegen mit mir reden wollen, das anderes sehen, als die Kollegen im Ressort Kultur und meinen zu einem Artikel: "Das hat so viel mit Kunst zu tun, wie mein Besenschrank." Etwa 20 Minuten lang habe ich mit dem Mann diskutiert, aber meine Argumente zu der Tatsache, dass Geschmäcker nun mal verschieden sind, wollten ihm nicht einleuchten. Er wurde zunehmend sauer und drohte mit Konsequenzen (das muss ich vermutlich nicht näher erläutern), bis er schließlich meinte: "Sie verstehen mich nicht, und das finde ich traurig", hört ich ihn sagen, bevor er auflegte. Zum ersten Mal habe ich da heute an mir gezweifelt.
Drittens: Während des Gesprächs über Kunst und der Frage, ob das weg kann, was da zu sehen ist, versuchte ich, weil ich bis zu diesem Zeitpunkt weder etwas getrunken (seit dem Frühstück) noch gegessen hatte, eine Kiwi zu essen. Normalerweise ist das kein Problem, weil ich beide Hände frei habe und diese Frucht beim Kauen keine Geräusche macht, die den Anrufer vielleicht irritieren könnten. Diesmal flutsche mir die zweite Hälfte während des Versuchs, sie auszulöffeln, aus der Hand und landete auf der Tastatur; mehr muss ich dazu nicht sagen.
Viertens: Das zweite Gespräch dauerte sogar länger als eine halbe Stunde, und der Leser in der Leitung wollte mit mir gleichfalls über Grundsätze des journalistischen Selbstverständnis sprechen; nur hat er das anders formuliert: "Vor Wochen habe ich in Ihrer Zeitung ein Interview gelesen, in dem jemand behauptet hat, dass die Grenzkriminalität nach dem Beitritt Polens zum Schengener Abkommen und dem Wegfall der Kontrollen an der Grenze nicht gestiegen sei", erklärte er mir bevor er zum Kern seines Anliegens kam und sagte: "Und nun muss ich in dem Bericht über die Gegend, in der nichts sicher ist, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wie kann ich dann noch davon ausgehen, dass wahr ist, was in der Zeitung steht." Ganz langsam und ohne Fachausdrücke wie beispielsweise "investigativ" oder "recherchieren" habe ich versucht, ihm zu erklären, dass es eine der wichtigsten Aufgabe der Zeitung ist, die von Behörden oder Institutionen verlautbarten Informationen zu überprüfen und beispielsweise mit einer Reportage zu bestätigen oder, wie in diesem Fall, als falsch anzuprangern. Dies war das Ergebnis: "Ich werde mir noch überlegen, ob ich die Freie Presse weiter lesen werde oder doch lieber ..."
Fünftens: Während des Gesprächs über das, was in der Zeitung zuerst wahr ist und sich dann als falsch herausstellt, habe ich versucht, weil ich mittlerweile immer hungriger wurde, mein Müsli zu essen (natürlich nach einem besonders leckeren und selbst kreierten Rezept mit frisch geschrotetem Getreide als Grundlage). Das ist normalerweise kein Problem, weil ich das Mikrophon meines Headsets hochklappen kann, wenn der Anrufer mal etwas weiter ausholt, und ich das doch beim Kauen knirschende Gemisch zum Munde führen kann. Diesmal hatte ich aber nur gedacht, dass das Mikrophon bereits oben war, als ich den Löffel anhob und merkte, dass das eben noch nicht geschehen war; die leicht klebrige (Honig) Masse landete auf meinem Shirt; mehr muss ich dazu nicht sagen.
Sechstens: "Ich möchte mich beschweren", sagte ein Anrufer, vom Service-Center zu mir verbunden, um kurz vor zwölf und fügte hinzu: "Ich hätte deshalb gerne den Chefredakteur gesprochen." Dieser Satz war nicht neu für mich, weshalb ich ganz ruhig sagte: "Sie können mit mir reden, ich schreibe alles auf und schicke es dem Chef." "Das geht nicht, bitte verbinden Sie mich mit dem Chefredakteur", bekam ich als Antwort. Also drückte ich dann schließlich doch die Verbindungstaste, hatte gleich die Sekretärin am Apparat und formulierte es als eine Suggestivfrage: "Der Chef ist doch gerade in einer wichtigen Besprechung, oder?" Die Reaktion darauf war genauso knapp wie präzise: "Genau." Der Anrufer wollte aber auch das nicht akzeptieren und fragte mich: "Dann geben Sie mir doch die Durchwahlnummer, ich rufe später selbst noch mal an." Dem konnte ich nicht nachkommen und sagte: "Sie landen dann doch bei der Sekretärin, die Sie mit mir verbindet, also können Sie doch gleich mir sagen, worüber Sie sich beschweren wollen." Der Mann am anderen Ende der Leitung schwieg nur kurz, bevor er mit lang gedehnten Worten sagte: "Das geht aber nicht." Nun drohte es mir, so langsam die Geduld zu verlieren, weil ich schon nicht mehr wusste, was ich dem Anrufer noch anbieten konnte, weshalb ich es erneut versuchte: "Nun sagen Sie mir doch einfach zuerst mal, worüber Sie sich nun beschweren wollen." Diesmal dauerte die Pause länger, ich hörte den Anrufer atmen, bevor dann sagte: "Über den Leser-Obmann."
Siebtens: Um kurz nach zwölf setzte ich den Kopfhörer ab, schaltete den Anrufbeantworter an und verließ das Haus; es gab jetzt nur zwei Möglichkeiten: Eis oder Schokolade. Die Entscheidung war schnell getroffen, das eine Ziel lag einfach näher, ich reihte mich in die eher kurze Schlange ein, wollte gerade den Satz sagen, der mit Schoko anfängt und mit Vanille aufhört, als ich feststellte: Auf meiner Schulter ruhte der falsche Rucksack, der richtige war zu Hause, und in dem war mein Portmonee; wegen des Behälters für das Müsli hatte ich getauscht, aber nicht alles aus- und wieder eingepackt. So sagte ich zu mir selbst, das Pärchen vor mir hat es hören können und sich deshalb umgedreht: "Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert."
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