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Statt Sex mehr Zucht und Ordnung

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Am Anfang habe ich gedacht, das sei ein Phänomen, das eher selten passiert, mittlerweile aber habe ich es als normales Geschehen in meine kleine Statistik aufgenommen: Leser rufen mich an, sagen einen Satz und legen sofort wieder auf. Natürlich erscheint keine Nummer im Display, selbstverständlich stellen sich die Anrufer nicht vor, und immer wenn ich nachhaken will, höre ich nur noch ein Tuten in der Leitung. Heute war das mal wieder der Fall, und ich wäre auch zur Tagesordnung übergegangen, hätte mir also nicht einmal weiter Gedanken darüber gemacht, wenn ich nicht auf eine Idee gekommen wäre. Also zuerst das Zitat der Anruferin (eigentlich waren es bislang mehr Frauen, die sich so verhalten haben):

"Bei Ihnen gehören mal wieder Zucht und Ordnung rein", sagte die Stimme; mehr nicht, das war's. Nun habe ich, obwohl ich das eigentlich gar nicht will, zuerst darüber nachgedacht, auf was sich diese militärisch klingende Redewendung mit der unterschwelligen Drohung "sonst passiert was" wohl beziehen könnte. Ich habe die heutige Zeitung noch einmal durchgeblättert und darauf geachtet, ob ich etwas finde, was einem drohenden Verfall der Sitten und geordneten Verhältnisse einen Vorschub leisten könnte; ich habe nichts gefunden mit Ausnahme eines Bildartikels auf einer Seite im Lokalteil mit der Überschrift "Hasen mit und ohne Ohre stellen sich vor", während auf dem Bild leider Kaninchen zu sehen waren. Ich muss hinzufügen, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass Tierzüchter bei der Benennung von Rassen überhaupt keinen Spaß verstehen und dass ich dafür sogar viel Verständnis habe. Also war ich mir sicher, dass die Forderung nach mehr Zucht und Ordnung sich wohl eher nicht auf die aktuelle Ausgabe der "Freien Presse" bezogen hat. Aber auf was dann? Auch die Nachfrage bei drei Kollegen brachte mich nicht weiter, ihnen fiel auch nichts ein. Also gab ich auf, als mir dieser Gedanken kam: Vielleicht meinte die Leserin ja mich persönlich? War ich beobachtet worden, wie ich ...? Und am nächsten Tag schon wieder, diesmal aber mit ...? Diese Lösung des Rätsels verwarf ich aber sofort wieder, weil mir das noch zu weit hergeholt erschien, obwohl ... Da fiel mir ein: In drei Blogeinträgen und zwei Kolumnen hatte ich über Sex geschrieben und zwar von der Art, bei der Handschellen und Peitschen zum Einsatz kommen können. Wollte mich die Leserin auf den Pfad der Tugend zurückholen? Wollte Sie mir zu verstehen geben, dass ich in die Hölle komme, wenn ich weiterhin der Lust an der Lust einen Weg in das Bewusstsein der Menschen ebne?

Also habe ich darüber nachgedacht, was die Leserin dann, wenn es ihr genau darum ging, bei mir bewirken wollte mit dieser Forderung nach mehr Zucht und Ordnung. Soll ich vielleicht jedes Mal, wenn ich über Sex schreiben möchte, vorher darüber nachdenken, ob das überhaupt nötig ist und ob es nicht gegen Sitte und Anstand verstößt? Vermutlich hat die Anruferin ihr Ziel erreicht; wie ich mich kenne, werde ich tatsächlich an diesen Anruf denken, wenn meine Gedanken wieder in diese Richtung gehen. Kann es wirklich so einfach sein, mich dazu zu bewegen, etwas nicht mehr zu tun oder sogar etwas gerade erst dann tatsächlich in die Tat umzusetzen?

Mir kam eine Idee, wie ich herausbekomme, ob ich wirklich so leicht zu beeinflussen bin. Ich habe bei mir zu Hause angerufen (In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen: Ich lebe allein.) und so lange gewartet, bis der Anrufbeantworter angesprungen ist. Dann habe ich auf den Piepton gewartet und gesagt:

"Ihre Fenster müssten mal wieder geputzt werden, sie sind saudreckig. Die ganze Nachbarschaft spricht schon darüber."

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