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Die Fassung verliere ich nie, ich schweige
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Dass mir am Telefon der Kragen platzt, passiert eigentlich nie; nur wenn ich aufgelegt habe, will es manchmal raus, was sich da gerade angestaut hat, und bevor ich in die Tischkante beiße oder mir nachher zum Zwecke der Kompensation gleich drei Schoko-Kugeln in die Waffeln drücken lasse, schreibe ich doch lieber hier im Blog von dem, was mich vorhin in Rage versetzt hat. Dabei habe ich in der ersten Hälfte des zehn Minuten langen Gesprächs sogar noch mit dem Anrufer diskutiert, während ich anschließend nur noch zugehört habe. Also darum ging es:
"Kann ich mich mit Ihnen mal über Syrien unterhalten?", fragte mich ein Leser um kurz nach zehn. Mit mir kann man über fast alles reden, was ich dem Mann auch sagte, weshalb er gleich seine eigentliche Frage hinterher schickte: "Ist bei Ihnen eigentlich schon mal jemand auf die Idee gekommen, dass Assad gar nicht anders konnte, als auf diese Weise auf das brutale Vorgehen der Rebellen, die in meinen Augen nur Terrorristen sind, zu reagieren?"
Damit war für mich klar, welcher politischen Gesinnung der Anrufer ist; das an sich aber hat mich noch nicht dazu bewogen, nur noch zuzuhören, um mich dann für das Gespräch zu bedanken und mich zu verabschieden. Ich wollte, wie gesagt, mit dem Mann diskutieren. Ich habe von einem Machthaber gesprochen, der sein Regime allein auf Unterdrückung aufgebaut hat, vor Folter und Hinrichtungen von Gegnern nicht zurückgeschreckt ist und sogar den Tod vieler Zivilisten in Kauf nimmt, um gegen militärisch die Rebellen vorzugehen. Und was habe ich jedes Mal von dem Leser gehört: "Können Sie das belegen, gibt es sichere Quellen dafür, kann es nicht sein, dass diese Informationen vom amerikanischen Geheimdienst lanciert wurden?" Aber als der Anrufer sich froh darüber zeigte, dass Assad bei seinen Freunden im Iran um Hilfe nachgesucht hat, war dann für mich Schluss. Der Mann durfte zu Ende reden, hat mir außerdem noch die Rolle der Medien im Fall der Ruderin Nadja Drygalla erklärt, bevor er sich einverstanden erklärte, das Gespräch zu beenden, weil ich ihm mitteilte, dass ich die Leitung gerne für andere Anrufer freimachen möchte.
Selten sind solche Anrufe nicht, aber meistens dürfen die Leser reden, und ich höre zu. Wenn ich eine Diskussion anfange, weiß ich immer, was ich tue, nur heute habe ich es bereut. Und weil mich das noch minutenlang beschäftigt hat, ist folgendes passiert:
Wenn ich morgens gegen neun das Büro betrete, nehme ich (wenn es so heiß wie in diesen Tagen ist) mein fertig gemischtes Müsli aus dem Rucksack und lege ist für höchstens eine Stunde in das Gefrierfach eines Kühlschranks. Was soll ich sagen: Heute kann ich mein Müsli lutschen oder lecken, wenn ich irgendwie einen Holzstab in diese viereckige harte Masse hinein bekomme.
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