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Auftrag: Wenn die Seele in Flammen steht

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Die erste Woche nach meiner längeren Auszeit war ebenso turbulent wie aufschlussreich, weil ich mir in einem Punk ganz sicher bin: Dieser Job wird niemals langweilig werden, weil die Leser (und das meine ich uneingeschränkt genau so) immer für eine Überraschung gut sind. Was in den vergangen fünf Tagen noch so passierte, einige Randnotizen:

Episode 1: "Ich würde Ihnen gerne mal mein Geheimrezept für ein ausgefülltes und glückliches Leben verraten", sagte mir eine Leserin und rannte damit, was sie nicht wissen konnte, eine offene Tür ein, weil sie mir diese Zutaten nannte, damit auch ich alle Lebenskrisen bewältigen und viel für meine Gesundheit tun kann: "Viel Bewegung und positives Denken." Habe ich hier im Blog eigentlich schon mal erwähnt, dass ich als Jugendlicher mal Prediger werden wollte? Nein? Denn daran musste ich denken, als vor ein paar Tagen ein Kollege zu mir sagte: "Deine Predigten gehen mir auf die Nerven, kannst Du nicht mal über was anderes als Sport, positives Denken und gesunde Ernährung reden?"

Episode 2: Wenn sich Leser an mich wenden, weil sie mal wieder einen englischen Ausdruck in den Zeitung gelesen haben und weil sie zu den engagiertesten Zeitgenossen im Kampf gegen Anglizismen zählen, dann finde ich besonders interessant, welche Wörter sie, denn darauf wollen sie nicht verzichten, noch als Beispiel anführen. Dieser Anrufer hatte meine Nummer gewählt, weil er "Highway" in einer Überschrift entdeckt hatte, nicht weniger völlig daneben findet er diese Anglizismen: Coole Dringe, Happy hour, Basement, Sale, Outdoor und Coffee to go.

Episode 3: Außerdem gab es in dieser Woche noch eine weitere neue Bezeichnung für meine Tätigkeit beziehungsweise für meine Person, denn ein Leser sagte mir: "Als Brandmeister für in Flammen stehende Seelen kann ich Sie entweder nur bemitleiden oder ich darf Sie bewundern." Was soll ich sagen: Ich bin gerne Leserobmann.

Episode 4: Meine Lieblingseröffnung: "Ich habe einen Fehler in der Zeitung gefunden", sagte eine Leserin und lies mich dann nicht zu Wort kommen, so dass ich nicht fragen konnte, auf welcher Seite er sei, geschweige denn mir die Seite auf dem Computer aufmachen konnte, um den vermeintlichen Fehler tatsächlich mit eigenen Augen sehen und als solchen verifizieren zu können. Die Frau nannte mir einen klangvollen Doppel-Namen einschließlich des Vornamens, er klang ziemlich osteuropäisch, ich kenne mich da nicht so aus, bevor sie mit erhobener Stimme betonte: "Da fehlt ein R." Also hatte ich zwei Möglichkeiten: Entweder zustimmen und mich für den Hinweise bedanken, ohne ihm tatsächlich nachgehen, denn was ist schon ein fehlendes R, oder ich nehme mir die Zeit, die Sache zu ergründen; ich entschied mich für die zweite und ließ mir den Namen (ganz langsam) von der Anruferin buchstabieren. Dann verabschiedete ich mich, tippte ich den Namen in die Suchmaske des Archivs und wartete. Klassischer kann ein Eigentor nicht sein: Es gab keinen Treffer; wie auch, wenn ich den Namen richtig geschrieben habe, er aber falsch in der Zeitung stand, während das fehlende R nur ein weiteres von bereits vier vorhandenen war und ich keine Ahnung hatte, an welcher Stelle ich noch eine weiteres einfügen hätte können, um den Namen im Archiv zu finden. Also: Ich gab auf - was ist schon ein fehlendes R in der Zeitung.

Episode 5: Besonders mag ich es, wenn die Leser mit wenigen Worten auf den Punkt bringen, um was es ihnen geht, und welche Forderung sie damit verbinden. Dieser Leser hat das auf eine beeindruckende Weise geschafft, wie ich es bislang höchst selten erlebt habe. Das Gespräch dauerte etwa ein halbe Minute. Der Mann sagte: "In der DDR hat der Strom neun Pfennige gekostet", sagte er und fügte nach einer kurzen Pause, während der ich den Kanarienvogel eine melodische Sequenz im Vierertakt mit Betonung von eins und drei trällern hörte, noch hinzu: "Die Regierung muss weg."

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