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Immer für einen flotten, deshalb meistens lustigen Spruch gut sind die Leser der "Freien Presse", wenn sie mit mir telefonieren, obwohl ich manchmal, eigentlich fast immer den Verdacht habe, dass nur ich das so interpretiere und in den Sätzen eine feine Ironie oder eine Spur von Sarkasmus entdeckte. Gezweifelt habe ich in dieser Woche mehrfach und mich bei einigen Gesprächen gefragt: Finde nur ich das jetzt geistreich, gut gekontert und amüsant oder herausfordernd? Ein paar Beispiele:

Episode 1: "Ich bin Leser Ihrer Zeitung und habe schon viele Jahre ein Abo", sagte ein Leser, womit er mit Abstand die beliebteste Eröffnung überhaupt gewählt hatte, und wollte mir bereits den Grund seines Anrufs sagen, als ich ihm ins Wort fiel, weil ich gerne weiß, in welcher Altersklasse ich die Leser einordnen kann, doch direkt nach dem Alter will ich mich auch nicht erkundigen, weil das missverstanden werden könnte, weswegen ich mich auch bei dieser Unterhaltung für diese Lösung entschied: "Wie lange beziehen Sie schon die Zeitung?" Stille in der Leitung, keine Reaktion, dann diese Gegenfrage, eindeutig als solche gestellt: "Wie lange bin ich jetzt verheiratet?"

Episode 2: Eine Beschwerde der etwas anderen Art wollte dieser Anrufer loswerden:  "Ich führe einen kleinen Betrieb. Nun habe ich festgestellt, dass mir das Finanzamt nicht zugesteht, die Zeitung als Werbungskosten von der Steuer abzusetzen." Mir war sofort klar, was hier das Problem ist, weshalb ich erwiderte: "Von der Steuer absetzen kann man doch nur Fachzeitschriften." Nun wurde, was ich an dem deutlich veränderten Tonfall bemerkte, der Mann etwas ungehaltener, während er mir diese Erwiderung servierte: "Das weiß ich auch, ich bin doch nicht von gestern, aber Sie, ich meine ausgerechnet Sie wollen mir doch jetzt nicht erklären, dass die Freie Presse keine Fachzeitschrift für lokale Ereignisse ist?"

Episode 3: Manchmal machen Redakteure einen Fehler, weil ihre Finger, die einen Text in die Tasten klappern, ganz woanders sind als der Kopf, der sich die Sätze ausdenken muss, aber gerade viel lieber mit etwas anderem sich beschäftigen möchte. Und dann passiert das, was man unter Kollegen das Blackout-Syndrom nennt. In dieser Woche hat es wieder mal zugeschlagen: Ein berühmter Autor, ein noch berühmteres Buch, doch das eine verfasst nicht von dem anderen. Mir ist es übrigens auch schon mal so ergangen, vor einigen Wochen erst: Ich verfasste einen Text über das Buch "Das Beil von Wandsbek", das Arnold Zweig geschrieben hat, war dabei aber (warum auch immer) in Gedanken bei der "Schachnovelle", die ich für einen der wunderbarsten literarischen Texte halte, und schon war es passiert: Der Autor von "Das Beil von Wandsbek" war plötzlich (und es stand so in der Zeitung) Stefan Zweig. Unter den vielen Lesern, die in dieser Woche den Fehler entdeckt und sich deswegen bei mir gemeldet haben, war auch dieser: "Ein Blackout erscheint mir in diesem Fall nicht die richtige Begründung", sagte er und fügte hinzu: "Wohl eher ein Moment feuilletonistischer Umnachtung."

Episode 4: Etwa fünf Minuten lang hat mir ein Leser gestern erklärt, warum die künftigen Linien des öffentlichen Personennahverkehrs nach der vollen Umsetzung des Chemnitzer Modells nicht sinnvoll sind und wo die Schwachstellen liegen werden, bevor er seinen Redefluss beendete und mich fragte: "Haben Sie alles verstanden, können Sie meine Gedankengänge nachvollziehen?" Auch in diesem Fall und an dieser Stelle entschied ich mich, weder zu lügen, noch die Wahrheit zu sagen, sondern genau die Lücke dazwischen auszufüllen, weshalb ich sagte, was auch stimmte: "Ich habe mir Notizen gemacht und werde sie an die zuständige Redaktion weiterleiten." Normalerweise bedanken sich die Anrufer dann, verabschieden sich und legen auf; dieser aber nicht: "Dann würde ich Sie bitten, die Passage, in der es um das nicht erforderliche Umsteigen auf dem Hauptbahnhof geht, noch einmal zusammenzufassen, damit ich sicher sein kann, dass Sie mich richtig verstanden haben." Plötzlich schwebte meine Lücke wie ein Damoklesschwert über meinem Haupt, denn ich hatte keine Ahnung, was ich antworten sollte. Wie ich aus dieser Nummer wieder herausgekommen bin? Das verrate ich nicht, dieser Hinweis muss reichen: Etwa fünfzehn Sekunden später stand eine Kollegin in der Tür und sprach laut und deutlich diese Worte: "Der Chef möchte Dich sehen, und wenn's geht sofort."

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