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Ach, wie gut das niemand weiß, dass ich (...) heiß

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Das Gespräch kam durch die Vermittlung zustande: "Eine Leserin, die ihren Namen nicht nennen will, hat ein Anliegen von höchster Dringlichkeit", hörte ich die warmgetönte freundliche Stimme der Servicemitarbeiterin sagen, bevor ich dann, noch bevor ich mich melden und vorstellen konnte, diesen Ruf vernahm: "Hallo? Sind sie noch da? Ist da jemand?" Anschließend ergab sich folgendes Gespräch, das ich im Wortlaut wiedergeben möchte, weil eine Zusammenfassung den Inhalt eher verfälschen würde; die Rollen sind klar verteilt.

"Meinen Namen möchte ich aber nicht nennen."
"Warum eigentlich nicht?"
"Ich möchte lieber anonym bleiben."
"Ich meine, gibt es einen Grund dafür?"
"Das muss doch nicht sein, oder?
"Aber ich weiß eben gerne, mit wem ich rede."
"Wirklich wichtig ist das aber nicht, meine ich."
"Das kommt drauf an?"
"Worauf?"
"Darauf, was ich für Sie tun kann, welches Anliegen sie haben."
"Darum geht es aber, genau deswegen möchte ich Ihnen meinen Namen nicht sagen."
"Und warum nicht?"
"Nun ja, wenn ich ehrlich bin, ich habe etwas Angst."
"Dass Sie Ihren Namen in der Zeitung lesen? Das kann ich Ihnen versprechen, wenn Sie das nicht wollen, dann passiert das auch nicht."
"Das wäre dann der Super-Gau, daran habe ich noch nicht einmal gedacht, nein das meine ich nicht."
"Und was meinen Sie?"
"Die Nachbarn."
"Was ist mit Ihren Nachbarn."
"Wenn die erfahren, dass ich bei Ihnen angerufen habe, na dann kann ich was erleben."
"Aber wie sollten sie das erfahren, wenn Ihr Name nicht in der Zeitung steht?"
"Sie kennen ihn doch!"
"Ich verrate ihn nicht weiter, nur dem Kollegen, der dann recherchiert."
"Schlimm genug, dann sind es ja schon zwei."
"Aber wir halten dicht, ganz bestimmt."
"Hundertprozentig?"
"Das ist doch nur der Tod, das wissen Sie doch."
"Eben."
"Was wollen Sie damit sagen?"
"Das ich mir nicht zu hundert Prozent sicher sein kann, das mein Name nicht doch durchsickert."
"Aber der Informantenschutz ist uns heilig, Kollegen wären dafür schon fast ins Gefängnis gegangen."
"Das sagen Sie."
"Und ich weiß, wovon ich rede."
"Das glaube ich Ihnen, aber ich will trotzdem nicht."
"Dann kann ich Ihnen nicht versprechen, dass die Kollegen der Sache überhaupt nachgehen."
"Aber sie müssen doch nur rausfahren und sich diesen Skandal angucken? Dazu müssen sie doch nicht noch mal mit mir reden."
"Aber es geht hier ums Prinzip. Bevor ein Redakteur sich auf den Weg macht, will er sich selbst davon überzeugen, dass es sich auch lohnt. Und deswegen muss er vorher nochmal mit Ihnen reden."
"Dann verbinden Sie mich doch gleich."
"Aber ich weiß doch noch gar nicht, wer sich der Sache annehmen wird?"
"Warum nicht?"
"Weil ich die gesamte Redaktion informiere, alle es lesen, aber der Chef dann entscheidet, wen er in die Spur schickt."
"Dann verbinden Sie mich mit dem Chef."
"Der hat für so etwas keine Zeit, deswegen gibt es mich, ich gebe alles Wichtige weiter."
"Ach so läuft das, jetzt beginne ich zu begreifen, wenn Sie nicht davon überzeugt sind, dass da was dran ist, dann laufe ich wohl Gefahr, dass niemand diese Gefahr als solche erkennt und niemand etwas unternimmt, um sie zu beseitigen."
"Das habe ich doch gar nicht gesagt."
"Aber gedacht."
"Nicht einmal das."
"Kann ich mir da ganz sicher sein?"

An dieser Stelle der Unterhaltung war der Punkt erreicht, an dem ich nur noch wollte, dass sie so schnell wie möglich vorbei ist; und immer dann gebe ich mir einen letzten Ruck, wenn ich den Leser, dem ich niemals das Gefühl geben möchte, sein Anliegen nicht ernst zu nehmen, und mache ihm diesen Kompromissvorschlag: Der Anrufer sagt mir, um was es geht, was ich dann aufschreibe und an die Redaktion schicke, während ich dem Leser die Möglichkeit einräume, mich ein paar Tage später noch einmal anzurufen, um nachzufragen, was aus der Sache geworden ist. Ich finde, dass das stets eine (auch für mich vertretbare) gute Lösung ist. Was auch diese Leserin einsah und mir von dem Skandal erzählte:

Neben dem Mehrfamilienhaus, in dem sie wohnt, führt ein Weg entlang von mehreren Grundstücken zu den Garagen, in denen fast alle Mieter der Siedlung ihre Autos untergebracht haben. Dieser Weg aber sei nicht die offizielle Zufahrt zu den Garagen; die sei zwei Straßen weiter und wesentlich länger, als diese Abkürzung, die von Autos gar nicht befahren werden dürfte, erklärte mir die Anruferin. Jetzt im Winter würden trotzdem die meisten Garagenbesitzer dieses Weg fahren, was zur Folge hat, dass die Autos den Schnee festfahren und der Untergrund bei anhaltendem Dauerfrost ziemlich glatt wird und für Fußgänger deshalb eine große Gefahr darstellt. Die Anruferin geht diesen Weg häufiger entlang, weil er für Fußgänger natürlich freigegeben und außerdem die kürzeste Verbindung zur Hauptstraße ist, die wiederum zum Supermarkt führt, weshalb sie sich jetzt einer großen Gefahr ausgesetzt sieht, für die andere verantwortlich sind. Das sei nicht akzeptabel, dagegen müsse man vorgehen, meinte die Leserin. Die Frau selbst hat kein Auto und gehört deshalb auch nicht der Garagengemeinschaft an.

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