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Für Sachsen: Eins, zwei drei, vier ...
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Normalerweise ist die Tür zu meinem Büro immer offen; wer davor steht oder den Gang entlang geht, kann hören, was ich sage, wenn ich mit Lesern telefoniere. Heute habe ich zum ersten Mal überhaupt gesagt, nachdem die Anruferin mir ihr Anliegen vorgetragen hatte: "Einen Augenblick bitte, ich will nur schnell die Tür zumachen." Den Grund will ich nicht verschweigen: Zum einen wollte ich verhindern, dass Kollegen einen völlig falschen Eindruck von mir kriegen, während ich zum anderen vermeiden wollte, dass jemand den Notarzt anruft, weil er denkt, er müsse an meinem Verstand zweifeln. Aber der Reihe nach:
"In dem Artikel über eine mögliche Hymne für Sachsen ist etwas nicht ganz richtig", meinte die Anruferin und bezog sich damit auf den Artikel "Dissonanzen bei der Suche nach einer Sachsenhymne" heute auf der Seite Sachsen. In dem Text würde behauptet, erklärte mir die Leserin, dass das Lied "Gott segne Sachsenland" aus dem Jahr 1815, das die Junge Union im Landkreis Meißen als mögliche Hymne für den Freistaat ins Gespräch gebracht hatte, zur Melodie der britischen Nationalhymne "God save the Queen" gesungen werde, was dem CDU-Nachwuchs wohl Ärger mit den Konservativen in der Partei bescheren könnte, weil diese lieber eine deutsche Melodie hätten.
"Doch das ist vollkommener Quatsch, es gibt nämliche keine Melodie, von der ich behaupten würde, das sie mehr deutsch wäre, als diese, denn schließlich sprechen wir hier von der Kaiserhymne", erklärte mir die Frau in der Leitung; und ich verstand überhaupt nichts mehr, was mich allerdings wurmte, weil doch meine beruflichen Wurzeln in der Musikwissenschaft zu finden sind. Also bat ich um eine weitere Erläuterung, während ich mir im Stillen schon mal "God save the Queen" vor mein geistiges Ohr geholt hatte. "Ich mache Ihnen jetzt einen Vorschlag: Ich nenne Ihnen den Titel des deutschen Liedes, dann zähle ich bis vier und wir singen gemeinsam die erste Strophe", sagte die Leserin. Meine erste Reaktion darauf war eine Frage: "Und wenn ich den Text nicht kenne?" Die Frau schwieg, vermutlich dachte sie nach, aber nach etwa fünf Sekunden hörte ich ihre Stimme wieder: "Also: Sie sitzen am Computer, also können Sie ins Netz. Da geben Sie jetzt den Titel des Liedes bei Google ein, und als ersten Treffer finden Sie die den entsprechenden Eintrag bei Wikipedia. Dort steht auch der komplette Text." Gesagt, getan, ich hatte die Verse vor mir, als die Frau mit dem Zählen begann: "Eins, zwei, drei ..." Da überkam mich plötzlich ein leichtes Gefühl von Panik, weshalb ich den Vierertakt-Countdown unterbrach und sagte: ""Einen Augenblick bitte, ich will nur schnell die Tür zumachen."
Als ich wieder saß, das Headset wieder auf meinem Kopf hatte und mit "Los geht's" das Kommando zum Start gegeben hatte, hörte ich die Anruferin wieder zählen: "Eins, zwei, drei, vier ..." Und nun muss man sich nur mal vorstellen, was beispielsweise der Chefredakteur gedacht hätte, wenn er zufällig an meinem Büro vorbeikommen wäre und meine Stimme singend vernommen hätte mit diesen Zeilen: "Heil dir im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands. Heil, Kaiser, dir! Fühl in des Thrones Glanz die hohe Wonne ganz, Liebling des Volks zu sein! Heil Kaiser, dir!"
Ich habe bis zum Ende mitgesungen (eine Oktave tiefer als die Frau in der Leitung), und es war klar: Das ist absolut die gleiche Melodie wie die der englischen Nationalhymne. "Leider habe ich nicht herausbekommen, wer hier von wem gegen Ende des 18. Jahrhunderts abgeschrieben hat, aber meiner Ansicht nach hätte das unbedingt in dem Artikel stehen müssen", sagte die Leserin. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob ich ihr zustimmen sollte, denn Melodie ist Melodie, wenn man ohnehin den Text "Gott segne Sachsenland" dazu singen will. Doch dann kam mir ein Gedanke: "Mit wem die Junge Union dann wohl Ärger kriegt, wenn jemand die neue Sachsenhymne singt, während ein außenstehender fragt: Ist das nicht die Kaiserhymne mit 'Heil dir im Siegerkranz'?" Die Frau schwieg wieder einige Sekunden lang, bevor sie mich fragte: "Sie meinen, wir sollten sie gar nicht darauf hinweisen und warten was passiert, wenn ihr Vorschlag angenommen wird und später jemand möglichst medienwirksam platziert feststellt, dass die Sachsen in Wirklichkeit 'Heil dir im Siegerkranz' singen?" An dieser Stelle schwieg ich diesmal, dann hörte ich die Anruferin sagen: "Böse wäre das, wirklich böse." Ich habe ihr nicht zugestimmt, widersprochen habe ich ihr aber auch nicht.
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