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Was ein bisschen Klopapier so anrichten kann
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Aus den unterschiedlichsten Gründen bitten mich Leser recht häufig, für sie einen ganz bestimmten Artikel im Archiv der "Freien Presse" zu suchen, den Bericht zu kopieren und die Ablichtung ihnen zuzuschicken. Meistens ist das sehr einfach, weil die Anrufer mir beispielsweise die Überschrift, einen Namen oder das Thema (auf wenige Stichworte beschränkt) nennen können, so dass ich die Suchmaske im Computer ganz konkret füttern kann und sich der gewünschte Artikel auf meinem Monitor nach wenigen Sekunden öffnet. Manchmal jedoch ist es extrem schwierig, den Wunsch zu erfüllen, weil die Leute in der Leitung so gut wie gar nichts über den Text wissen; weder wann genau der Bericht erschienen ist, noch was exakt er zum Inhalt hatte. Nur eine ungefähre Ahnung haben sie von dem, worum ist in dem Artikel ging. Von einem solchen Fall möchte ich nun berichten, mit klar verteilten Rollen:
"Ich brauche einen Artikel, der bei Ihnen in der Zeitung erschienen ist. Bin ich da bei Ihnen richtig?"
"Das sind Sie. Wann ist der Bericht denn erschienen, damit ich die Suche etwas eingrenzen kann?"
"Das weiß ich leider nicht; vielleicht vor fünf Jahren, es kann aber schon sechs oder sieben Jahre her sein, dass ich ihn gelesen habe."
(Anmerkung: Dies Frage stelle ich, weil ich bei Artikeln, die älter als der 1. Januar dieses Jahres sind, stets das gesamte Archiv durchsuchen und deswegen immer etwas mehr Zeit einkalkulieren muss.)
"Können Sie sich an die Überschrift erinnern?"
"Nein."
"Vielleicht an einen Namen oder eine für das Thema typische Bezeichnung?"
"Nein."
"Dann erzählen Sie mir doch bitte, worum es ging beziehungsweise woran Sie sich erinnern können."
"Da hat einer den Computer einer Bank geknackt, sich des Mailprogramms bedient und, wenn ich mich recht erinnere, Klopapier bestellt."
"Sind Sie sicher, dass von Klopapier und nicht von Toilettenpapier die Rede war?"
"Ziemlich."
"Dann gebe ich es, weil es ein ungewöhnliches Wort ist, mal ein."
"Und?"
"249 Treffer, ich versuche es mit der Kombination Bank und Klopapier."
"Und?"
"Glück gehabt, nur noch sieben Treffer, ich überfliege die Texte kurz, einen Augenblick bitte."
(Anmerkung: Es waren ausschließlich lokale Artikel, in keinem war von einem Hacker die Rede, der einer Bank übel mitgespielt hat. Allerdings kenne ich jetzt einen DDR-Witz mehr, und der geht so: Warum gab es in der DDR immer nur so raues Klopapier? Damit auch der letzte Arsch rot wird. Und warum war es trotzdem immer zweilagig? Ein Durchschlag ging nach Moskau.)
"Tut mir leid, so kommen wir nicht weiter. Können Sie noch an irgendetwas erinnern, was mir weiterhelfen könnte?"
(Anmerkung: Der Mann in der Leitung schwieg an dieser Stelle einige Sekunden lang, die ich dazu nutzte, die Kombination von Klopapier und Geldinstitut in die Suchmaske einzugeben; keine Treffer.)
"Nein, mir fallen absolut keine weiteren Details ein."
"Wozu brauchen Sie den Artikel überhaupt?"
"Ich will ihn meiner Sparkasse zeigen, damit die Leute mich dort endlich ernst nehmen und mir glauben, dass es durchaus möglich sein kann, dass jemand von außen sich bei denen eingehackt und sich an meinem Konto zu schaffen gemacht hat."
"Sie meinen, das wirkt?"
"Na klar."
"Also dann, ich werde nachher noch mir die Zeit nehmen und noch andere Suchwörter und Wortkombinationen eingeben. Wenn ich etwas finde, rufe ich Sie an, einverstanden?"
"Na klar, bis dann."
Schließlich war ich mir ganz sicher: Ein solcher Artikel hat niemals in der "Freien Presse" gestanden. Doch wollte ich die Sache nicht auf sich beruhen lassen, weil ich allein die Vorstellung, dass jemand sich bei einer Bank einhackt und Klopapier bestellt, ziemlich lustig fand; also suchte ich im Netz. Mit der zweiten Wortkombination Klopapier und Hacker hatte ich bereits erfolgt, denn der erste Verweis lautete "Hacker gelangte in das Netzwerk einer deutschen Bank und verschickte Klopapier". Zu lesen war weiterhin, dass ein Mann aus Griechenland es geschafft hatte, in das Netzwerk einer deutschen Bank einzudringen; das Geldhaus war ihm noch 85.000 Euro für einen Auftrag schuldig, welches die Bank verneinte. Der Hacker ließ an die Kunden der Bank 4000 Rollen Klopapier und 100.000 Päckchen Kondome versenden. Die Kosten dafür durfte die Bank begleichen.
Mit diesem Wissen suchte ich im Archiv der "Freien Presse", der Artikel war niemals erschienen. Auch im Netz fand ich keine Zeitung, die diese Meldung einer Agentur damals veröffentlicht hatte. Ich rief den Leser an und teilte ihm dies mit. Als Reaktion darauf sagte er. "Schade auch."
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