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Wie war das noch: Das nackte Grauen?
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In meinem Metier, in dem die deutsche Sprache den wohl größten Teil des Handwerkszeugs ausmacht, ist es eigentlich eher selten, dass man als langjähriger Vertreter dieser Zunft ein neues Wort für sich entdeckt. Ich meine nicht solche modernen und aus dem Zeitgeist heraus geborenen Kreationen wie "googlen" oder dem Englischen entnommenen Schöpfungen wie "to go", sondern die Rede ist von deutschen Wörtern, die es immer schon gegeben hat, die man aber bis dato nicht als solche registriert und weder für sich in Anspruch noch in den eigenen Wortschatz aufgenommen hat. Seit heute aber habe ich ein solches Wort für mich entdeckt, weshalb es passieren kann, dass ich es jetzt häufige auch verwende, weil es mir einfach so gut gefällt. Es geht um "graulen".
Als ich es beim Lesen der Zeitung in der Früh zum ersten Mal überhaupt optisch wahrnahm, es kurze Zeit später beim Öffnen der ersten Mail nach dem Hochfahren des Computer ein weiteres Mal geschrieben sah und erst recht, nachdem mir der erste Anrufer um kurz nach zehn es auch noch mit viel Nachdruck ins Ohr gesprochen hat, kam ich nicht daran vorbei, mich erst mal im Duden schlau zu machen. Dort steht: "graulen (sich fürchten); es grault mir; ich graule mich". Sofort fuhr mir der Schreck in die Glieder, weil ich glaubte, Goethe die vergangenen 39 Jahre stets falsch verstanden zu haben und in seinem "Faust" ziemlich am Ende tatsächlich dies aus Gretchens Mund kommt: "Heinrich, mir grault vor dir". Als nächstes, nur um mich zu beruhigen, bestätigte ich mir selbst, denn da kenn ich mich aus, dass einer meiner Lieblingshorrorfilme mit Sicherheit "Das Grauen" heißt und nicht etwas "Das Graulen"; soviel schlechtes Gedächtnis wäre mir dann doch höchst suspekt vorgekommen.
Also wollte ich mehr über "graulen" erfahren und bemühte, was sonst, als nächstes die Suchmaschine im Netz. Wie nicht anders zu erwarten, stand an oberster Stelle der vorgeschlagenen 29.100 Treffer der Eintrag im Duden. Und ganz ehrlich, weil meine gebundene Ausgabe bereits eine Dekade hinter sich hat (und auch entsprechend aussieht): Ich war erleichtert, weil es das Wort, wenn es dort in der aktuellen Online-Ausgabe erklärt wird, auch tatsächlich (noch) gibt. "Graulen" ist also ein schwaches Verb (Perfektbildung mit "hat") , als Bedeutung wird "(leichtes) Grauen empfinden" angegeben, seinen Ursprung hat es im mittelhochdeutschen gruweln oder griuweln (Furcht empfinden), und dann endlich las ich einen Satz, der Balsam für mein bis zu diesem Zeitpunkt noch angeknacksten Selbstbewusstsein war, denn dort stand als Beispiel für die Verwendung für dieses Wort ein Satz, den ich auf jeden Fall schon einmal gehört hatte, nämlich "jemanden aus dem Haus graulen".
Ach, das gefällt mir, ich könnte stundenlang über Wörter wie "graulen" nachdenken und philosophieren, doch soll damit jetzt Schluss sein, ich will schließlich niemanden damit auf die Nerven gehen. Bleibt mir also noch der Hinweis, dass insgesamt sechs Leser sich wegen des "Graulens" an mich gewandt haben. Sie hatten auf der aktuellen Seite "Kind & Kegel" den Artikel mit der Überschrift "Graulen, Tauchen, Wiederbeleben" gelesen. Es geht in dem Bericht darum, dass dem DLRG zu Beginn der Badesaison vielerorts nicht genügend Rettungsschwimmer zur Verfügung stehen und händeringend Mitglieder im Alter von 15 bis 18 Jahren gesucht werden. Dass diese Helfer an Küsten und in Bädern möglichst schnell schwimmen können sollten, versteht sich vermutlich von selbst; Brustschwimmen dürfte deshalb nicht ausreichend sein, verlangt wird also ...
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