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Lachen ist häufig eine Frage der Perspektive
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Manchmal weiß ich nicht, ob ich (nur sprichwörtlich) lieber weinen oder lachen soll, denn ich werde (eigentlich ständig) mit Dingen konfrontiert, die bei mir ebenso ein vor Vergnügen schmunzelndes Gesicht hervorzuzaubern vermögen, wie sie bei anderen gleichzeitig eine zu Tode betrübte Stimmung verursachen können; und natürlich umgekehrt: Ich könnte heulen, während andere sich zügeln müssen, um nicht loszuprusten. Manchmal stimme ich mit den Lesern in der Leitung überein, und wir beide lachen oder weinen gemeinsam, manchmal eben auch nicht. Und dann muss ich aufpassen, dass man mir nicht anmerkt, wie ich darauf reagiere, was ich gerade zu hören bekomme, denn ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen. Soll heißen (Beispiele von heute):
Episode 1: "Das hat mich tief getroffen", sagte eine Leserin und erklärte mir, dass sie mit mir über einen Artikel auf der Sportseite sprechen möchte, bevor sie noch hinzufügte: "Eigentlich lese ich den Sportzeil gar nicht, vor allem montags nicht, ich interessiere mich nämlich nicht für Fußball, doch heute ist mein Auge geradezu magisch von diesen Zeilen angezogen worden." Die Frau in der Leitung nannte mir die Zeit und die Rubrik "Spruch des Tages" und las mir dann den Satz vor, den der Trainier von Bundesligaaufsteiger Eintracht Braunschweig gesagt hat: "Wer jetzt nicht feiert in Braunschweig, der soll ins betreute Wohnen gehen." Die Anruferin machte eine kurze Pause und fragt mich dann: "Ich bin über achtzig und habe noch viel Spaß am Leben, muss ich noch hinzufügen, wie ich lebe und wo ich wohne?" Sie musste nicht.
Episode 2: Dass Leser mich nicht mögen, mir manchmal weniger nette Worte sagen und aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen, bin ich gewöhnt und lebe damit wie ein Zahnarzt, dessen Arbeit auch niemand gern in Anspruch nimmt, aber ohne den man eben auch nicht auskommt. Heute war das mal wieder der Fall (solch ein Leser, nicht der Zahnarzt), und ein Mann nannte mich wegen meiner wöchentlichen Kolumne auf der Seite Leserforum einen "Meister der Friede-Freude-Eierkuchen-Salbaderei". Dass ich wegen einer grundsätzlich positiven Einstellung zum Leben an sich und im Besondern häufiger die Formulierung "Friede, Freude, Eierkuchen" (laut Wikipedia eine Redewendung, die eine nur oberflächlich intakte, scheinbar friedlich-sorglose Fassade innerhalb einer Gesellschaft beschreibt) als eine meiner Charaktereigenschaften genannt bekomme, macht mir schon lange nichts mehr aus; im Gegenteil, mittlerweile werte ich es das als Kompliment. Aber Salbaderei? Zuerst dachte ich, dass ich dieses Wort noch nie in meinem Leben gehört habe, dann aber fiel mir ein, dass ich die Verbform "salbadern" zumindest schon mal gehört oder gelesen hatte. Auch hier half mir das Internetlexikon weiter, ich zitiere: "Als Salbader wird ein seichter, frömmelnder Schwätzer bezeichnet, der meist einen vortragsartigen Monolog mit vorgetäuschtem Fachwissen ohne den entsprechenden Hintergrund hält." Ich habe mich für Gespräch bedankt, mich verabschiedet und gedacht: Ach, das Leben ist wunderbar, ich liebe meinen Beruf.
Episode 3: Es gibt eine Situation, in der ich häufig lächeln darf, was aber immer ohne jedes Geräusch passieren muss, wobei der Leser manchmal sogar Töne der Verzweiflung von sich gibt, während ich darauf warte, dass er mir sein Anliegen mitteilt. Es geschieht immer dann, wenn die Anrufer sich vorstellen, so wie heute gleich zweimal: "Mein Name ist (...) und ich bin Abo ...", sagte die Leserin und sprach nicht weiter, traute sich zwei Versuche zu, dieses Wort zu vervollständigen, bevor sie aufgab und sagte: "Ist ja auch egal, ich brauche mal Ihre Hilfe." Zweites Gespräch: "Wollen Sie meine Lesernummern wissen?", fragte mich der Leser, worauf ich antwortete: "Das ist nicht notwendig, Ihre Name ist vollkommen ausreichend." Doch der Mann erklärte mir trotzdem: "Ich meine nur, damit Sie wissen, dass ich ein Abo..." sagte er und unterbrach gleichzeitig seinen Redefluss, weil ihm das Wort nicht so einfach von den Lippen gehen wollte; also half ich und sagte: "Sie sind Kunde von uns, ich weiß schon, was Sie meinen." Nun möge jeder sich selbst testen und diese Fragen beantworten. Erstens: Wie heißt der Kunde einer Tageszeitung, der das Printprodukt regelmäßig bezieht und nach Hause geliefert bekommt? (Kleiner Tipp: Es fängt mit "Abo" an.) Zweitens: Wie nennt man den Abschluss eines Vertrages über den regelmäßigen Bezug einer Zeitung? (Kleiner Tipp: Es fängt mit "Abo" an.) Und? Ganz ehrlich? Beide Wörter beim ersten Mal reibungslos sprechen können?
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