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Wenn's nach mir geht, bleibt der Ekel
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Selten war ich mir so sicher, dass eine Titelseite der "Freien Presse" die Leser dazu bewegen wird, mich anzurufen und mir ihre Meinung zu sagen, wie bei der heutigen Ausgabe. Denn ich bin davon ausgegangen, dass es vielen so gegangen sein wird wie mir beim Morgenkaffee: Der Artikel "Mehr Insekten auf den Teller" hat mit seinen Informationen, viel mehr aber noch mit dem Foto in mir ein Gefühl des Ekels wachgerufen. Ich fasse einfach mal kurz zusammen: Die Menschen sollen mehr Insekten essen, die sie auf Farmen züchten, weil diese Tiere eine gute Alternative zu herkömmlichem Fleisch und Fisch sind, da sie beispielsweise weniger Treibhausgase und Ammoniak als Kühe und Schweine produzieren und weil sie für die Aufzucht deutlich weniger Land und Wasser benötigen als die Viehzucht. Unglaublich aber für mich diese Information: Diese Forderung geht von der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft aus. Dass bereits zwei Milliarden Menschen zumindest teilweise sich von Insekten ernähren und dass es 2000 essbare Arten gibt, war für mich überhaupt kein Trost und erst recht kein Argument für das Essen von Insekten. Meine Grundsatzhaltung muss ich (als Vegetarier) nicht weiter erläutern; möge bei vielen Menschen in Europa der Ekel vor dem Verzehr von Insekte erhalten bleiben.
Doch dann die Überraschung: Kein einziger Leser hat mich deshalb angerufen und wollte mit mir über dieses Thema sprechen, was mich vermuten ließ und ein Indiz dafür ist, dass die meisten Menschen, was ich echt besorgniserregend finde, bereits abgestumpft sind gegenüber den Vorschlägen, was sie beziehungsweise was sie nicht essen sollen und was gut (oder schlecht) für die Gesundheit ist.
Allerdings gab es eine zweite (faustdicke) Überraschung für mich, weil damit hatte ich nun gar nicht gerechnet: Denn wegen des Aufmachers auf der Titelseite, der die Überschrift "Suche nach Bodenschätzen in Sachsen gerät ins Stocken" trug und in dem es um Verzögerungen beim geplanten Abbau von Zinn im Vogtland und im Erzgebirge ging, haben mich wiederum Leser angerufen und mir von ihrem Unmut berichtet. Der Ärger der Anrufer lässt sich leicht zusammenfassen: Niemand macht sich offensichtlich Gedanken, was dieser erneute Bergbau beziehungsweise was die Förderung dieses Metalls für die Landschaft und für die Natur in der Region bedeuten würde. "Man sollte eine Bürgerinitiative dagegen gründen", meinte ein Anrufer, "es müsste doch ein Aufschrei durch das Land gehen", sagte ein anderer.
Nun bringe ich meine Verwunderung mit diesem Satz auf den Punkt: Käfer; Libellen oder Skorpione auf dem Teller regt die Leute offensichtlich weniger auf als bevorstehende Probebohrungen mit dem Ziel, in neuen Bergwerken unterirdische Vorkommen zu erschließen und dem Erdreich seine Schätze zu entreißen. Meine Frage: Muss ich das verstehen? Nein, will ich das verstehen können?
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